BUND zur Flutkatastrophe 2021: „Schäden an Neubauten offenbaren Planungsfehler“

16.05.2022

Werden in Hilden Häuser zu nahe an der Itter gebaut?

Keller voller Wasser und Schlamm, feuchte Wände, Habseligkeiten verloren – viele Betroffene knabbern noch immer an den Folgen der Flutkatastrophe vom Juli 2021.

Und was befürchtet wird: So ein Starkregen kann immer wieder auftreten.
Wie also kann man sich nun wappnen und besser vorsorgen?

 

Der BUND im Kreis Mettmann hat in der ersten Ausgabe 2022 seiner Verbandszeitung „BUND nessel“ das Thema erneut aufgegriffen. Claudia Roth aus Hilden (Foto oben) blickt auf die Ereignisse zurück und schreibt: „Schäden an Neubauten offenbaren Planungsfehler“.

Was genau meint sie damit? Wir haben nachgefragt.

 

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„Es werden potentiell und tatsächlich überflutete Flächen bebaut“

„Wir haben immer wieder vor Starkregen gewarnt, aber das wurde offenbar nie berücksichtigt“, meint die BUND-Sprecherin für Hilden. Stattdessen wurden weiterhin neue Häuser relativ nahe an der Itter gebaut, zum Beispiel an der Schwanenstraße und am Schwanenplatz. „Es werden auch auf potentiell und tatsächlich jüngst überflutete Flächen wieder Bebauungen geplant und errichtet, z.B. im Kalstert oder beim Sandbachquartier mit Tiefgarage im Hildener Norden“, erklärt Claudia Roth weiter.

 

Die Stadt hat im Herbst eine Starkregenkarte heraus gebracht. Aus ihr können Wohneigentümerinnen und -eigentümer ersehen, wie sehr ihr Grundstück bei einem Extrem-Wetterereignis gefährdet ist.

Das sei zwar positiv, meint Claudia Roth, aber: „Diese Darstellung spricht nicht jeden an. Als Laie kann man nicht alles erkennen.“

Die Stadt setzt auf die Eigenverantwortung. Dazu meint Claudia Roth: „Viele Hausbesitzerinnen und -besitzer sind ja auch bereits sensibilisiert. Trotzdem: Die Stadt sollte mehr Beratung anbieten.“

 

Was also ist für den nächsten Katastrophenfall zu tun?

Das Problem bei der Flut im vergangenen Sommer erklärt Kristin Wedmann, Geschäftsbereichsleiterin des Bergisch-Rheinischen Wasserverbandes (BRW), in der BUND-Zeitung: „Es hat sich extrem ergiebiger Dauerregen mit heftigem Starkregen überlagert. Und da ist eine Niederschlagssumme in 24 Stunden zusammen gekommen, die es so in den letzten Jahrzehnten (…) noch nie gegeben hat. (…) Von unseren 42 Hochwasserrückhaltebecken waren an diesem Tag 39 komplett gefüllt und haben über die Hochwasserentlastung Wasser abgeführt. (…) Unter anderem deswegen ist es auch zu massiven Ausuferungen an den Gewässern gekommen.“

Und wie kann man so etwas in Zukunft vermeiden, fragt der BUND die BRW-Sprecherin weiter. Antwort: „Leider muss man sagen, dass man sich gegen ein Ereignis in dieser Größenordnung und dieser Massivität an vielen Stellen überhaupt nicht wird schützen können. Die Ausuferungen wird man durch technischen Hochwasserschutz nicht vollends verhindern können, da einfach an vielen Gewässern sehr dicht gebaut wurde.“

 

Claudia Roth vom Hildener BUND fordert daher: „Wir müssen Lehren für die Zukunft ziehen und brauchen bessere Konzepte.“

 

Und was sagt die Stadt Hilden dazu?

Auf unsere Anfrage antwortet Baudezernent Peter Stuhlträger. Er verweist auf eine entsprechende Webseite der Stadt und die Starkregenkarte, an der sich die Bürgerinnen und Bürger orientieren können.

Außerdem werde es im nächsten Umweltausschuss am 19. Mai mehrere Anträge und Sachstandsberichte geben.

 

Zu den Bebauungen erklärt der Beigeordnete Stuhlträger grundsätzlich, „dass nur in festgesetzten Überschwemmungsgebieten gemäß § 78 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) die Ausweisung neuer Baugebiete (…) oder die Errichtung oder Erweiterung baulicher Anlagen nach den §§ 30, 33, 34 und 35 des Baugesetzbuches untersagt ist. Diese Überschwemmungsgebiete setzt gemäß § 76 WHG die Landesregierung durch Rechtsverordnung fest. Es handelt sich hierbei mindestens um die Gebiete innerhalb der Risikogebiete oder der nach § 73 (…) zugeordneten Gebiete, in denen ein Hochwasserereignis statistisch einmal in 100 Jahren zu erwarten ist. (...) Die nach Inkrafttreten des Bebauungsplans veröffentlichten Karten (…) bestätigen das in der Bebauungsplanbegründung erläuterte Abwägungsergebnis, die Bauvorhaben dort zu ermöglichen.“

 

Für die Neubauten nahe an der Itter im Bereich Schwanenstraße/-platz gilt beispielsweise: „(…) zur Aufstellung des Bebauungsplans [Nr. 258 von 2012, Anm.d.Red.] wurde auch die Nähe zur Itter bewertet. In der Bebauungsplanbegründung sind folgende Aussagen zu finden: ‚Die Itter ist in diesem Bereich weitestgehend begradigt, durchlässig befestigt und verläuft zwischen ca. 1 Meter hohen Ufermauern. ... Laut BRW liegt die Wasserspiegellage des 100-jährlichen Hochwassers bei ca. 47,65m ü. NN, was noch unter der Geländehöhe des derzeitigen Bestandes liegt. ... Eine Gefährdung im Bezug des 100-jährlichen Hochwassers besteht nicht. [Es folgen einige technische Details, die Begründung und der Umweltbericht sind hier nachzulesen. u.a. heißt es in dem Gutachten: „Nach derzeitigem Kenntnisstand sind keine erheblichen Auswirkungen auf das Schutzgut Wasser zu erwarten. Die Versickerung ist gewährleistet.“, Anm.d.Red].“
 

Heißt also: Vor zehn Jahren haben weder die Stadt noch der BRW irgendein Gefahrenpotenzial gesehen. 

Dann stellt sich die Frage, ob es nach diesem „Jahrhunderthochwasser“ vom Juli 2021 jetzt nicht doch angebracht wäre, die Gebiete entlang der Itter als „100-jährliches Überschwemmungsgebiet“ auszuweisen…?

  

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Und was ist mit den Versickerungsflächen, die der BUND fordert?

Dazu sagt der Dezernent: „In allen Bebauungsplänen, die seit den 1990er Jahren neu aufgestellt werden, wird geprüft und wenn möglich auf Grundlage des § 51a Landeswassergesetz festgesetzt, dass das Niederschlagswasser auf den privaten Grundstücken zu versickern ist. Auch wird immer wieder festgesetzt, dass möglichst wenig Fläche versiegelt wird, sondern Wege (…) ‚offenporig‘ auszuführen sind. Außerdem wurden (…) neu geschaffene Straßen – wie z.B. die Dietrich-Bonhoeffer-Straße oder die Straße Zum alten Sportplatz – so erstellt, dass das dort anfallenden Regenwasser nicht in den Kanal abgeleitet wird, sondern (…) unterhalb der Straßenoberfläche versickert. (…) Die (…) Empfehlungen zum Anlegen von Mulden oder die Schaffung von Rückstaumöglichkeiten werden zurzeit (…) durch ein Fachplanungsbüro auf ihre Umsetzungsmöglichkeiten geprüft.“

 

Auch das werde ein Thema im nächsten Umweltausschuss sein. Die Sitzungsvorlage dazu ist bereits abrufbar, verrät allerdings nicht viel neues. Denn das wurde bereits in einer früheren Sitzung verkündet.

 

Also: Ist Hilden auf den nächsten Starkregen vorbereitet? Zumindest gibt es noch viel zu tun und aufzuarbeiten

 

Bericht: Achim Kaemmerer
Titelfoto: anzeiger24.de / kl. Foto: BUND Kreis Mettmann

 


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