Oberste Richter: Einrichtungsbezogene Impfpflicht ist rechtmäßig

Schutz der vulnerablen Gruppen ist höher zu bewerten als die Grundrechte der Beschäftigten

Das Bundesverfassungsgericht hat einmal mehr die Gesetzgebung des Bundes für die Schutzmaßnahmen gegen Corona bestätigt.

Zur Erinnerung: Beispielsweise seien weder die ➤ Schließung von Restaurants und Gaststätten noch die ➤ kurzzeitige Ausgangssperre verfassungsrechtlich zu beanstanden.

 

Nun hat das höchste Gericht obendrein entschieden: Die ➤ einrichtungsbezogene Impfpflicht für Beschäftigte im Pflegebereich und Gesundheitswesen sei ebenfalls rechtens.

Damit hat der Erste Senat mehrere Verfassungsbeschwerden als teilweise unzulässig zurück gewiesen.

 


Was können nicht geimpfte Beschäftigte nun tun?

Wer also von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht betroffen ist, aber ungeimpft bleiben möchte, sollte sich Rechtsbeistand hinzuziehen.

Dazu haben wir Expertentipps der Rechtsanwälte ➤ Susanne Thomas aus Langenfeld und ➤ Rainer Schlottmann aus Hilden eingeholt.
 


 

„Angemessener Ausgleich der Interessen“

Begründung: „Die angegriffenen Vorschriften verletzen die Beschwerdeführenden nicht in ihren Rechten (…). Der Gesetzgeber hat (...) einen angemessenen Ausgleich zwischen dem mit der Nachweispflicht verfolgten Schutz vulnerabler Menschen vor einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und den Grundrechtsbeeinträchtigungen gefunden. Trotz der hohen Eingriffsintensität müssen die grundrechtlich geschützten Interessen der im Gesundheits- und Pflegebereich tätigen Beschwerdeführenden letztlich zurücktreten.“

 

Heißt also: Der Schutz der zu betreuenden Menschen, also beispielsweise Patientinnen und Patienten im Krankenhaus oder Bewohnerinnen und Bewohner in Pflegeeinrichtungen, hat in diesem Fall einen höheren Stellenwert als die Grundrechte (Eingriff in die körperliche Unversehrtheit) der Beschäftigten.

 

„Während für die meisten Menschen eine COVID-19-Erkrankung mild verläuft, besteht für bestimmte Personen aufgrund ihres Gesundheitszustandes und/oder ihres Alters nicht nur ein erhöhtes Risiko für einen schweren oder sogar tödlichen Krankheitsverlauf", heißt es weiter. "(...) Die Annahme des Gesetzgebers, es bestehe insoweit eine erhebliche Gefahrenlage für gewichtige Schutzgüter, die gesetzgeberisches Handeln erforderlich mache, beruht auf hinreichend tragfähigen tatsächlichen Erkenntnissen. Der Gesetzgeber konnte zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes von einer sich verschärfenden pandemischen Lage und einer damit einhergehenden besonderen Gefährdung älterer und vorerkrankter Menschen ausgehen.“

 

Stellt sich natürlich die Frage: Wie ist die jetzige Lage einzuschätzen? Denn im Augenblick erscheint die Situation nicht dramatisch. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach betont immer wieder: "Die Pandemie ist nicht vorbei", und im Herbst könnte eine neue Welle drohen. So zum Beispiel bei seiner ➤ Pressekonferenz am 18. Mai 2022.

 

Banner-Netto-Sept-Pad-2021

 

„Geimpfte Beschäftigte übertragen Virus seltener“

Jetzt können Kritiker aber sagen: Moment mal, die Impfung gegen Corona dient doch eher dem Selbstschutz. Wer sich vollständig hat impfen lassen, ist bestenfalls vor einer schweren Erkrankung geschützt, nicht aber grundsätzlich vor einer Infektion. Also können auch geimpfte Menschen das Virus weiter verbreiten.

 

Dazu erklärt das Bundesverfassungsgericht in seiner Begründung: „Der Gesetzgeber konnte davon ausgehen, dass die Pflicht zum Nachweis einer Impfung oder Genesung aller Personen, die in bestimmten Einrichtungen oder Unternehmen tätig sind, zum Schutz des Lebens und der Gesundheit vulnerabler Menschen beitragen kann. Zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes ging eine deutliche fachwissenschaftliche Mehrheit davon aus, dass sich geimpfte und genesene Personen seltener mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizieren und daher das Virus seltener übertragen können. Angenommen wurde auch, dass Geimpfte bei einer Infektion weniger und kürzer als nicht Geimpfte infektiös sind. Die Vertretbarkeit dieser gesetzgeberischen Eignungsprognose wird durch die weitere Entwicklung des Pandemiegeschehens verbunden mit der Ausbreitung der Omikron-Variante des Virus ausweislich der Stellungnahmen der im hiesigen Verfahren als sachkundige Dritte angehörten Fachgesellschaften nicht erschüttert.“

 

"Kein Verstoß gegen Berufsfreiheit" 

Die Einrichtungsbezogene Impfpflicht verstoße außerdem nicht gegen die verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit, so das Urteil: „§ 20a des Infektionsschutzgesetzes (Betretungs- und Tätigkeitsverbot) begründet zwar einen (…) eigenständigen Eingriff in die Berufsfreiheit; dieser ist jedoch zum Schutz vulnerabler Menschen gerechtfertigt. Die Regelung (…) ist insbesondere bei einer Abwägung zwischen ihrem Zweck und der Schwere des Eingriffs angemessen. (…) Der Zweck, vulnerable Personen vor einer schwerwiegenden oder sogar tödlich verlaufenden COVID-19-Erkrankung zu schützen, ist ein besonders gewichtiger Belang von Verfassungsrang.“

 

Das komplette Urteil ist  hier nachzulesen.

 

Bericht: Achim Kaemmerer
Foto: W. Pohnke/qimono / Pixabay / Collage: anzeiger24.de

 


Ihr wollt uns Eure Meinung sagen? Gerne per Mail an

[email protected]

oder als Kommentar bei Facebook
unter DeinHilden, DeinLangenfeld, DeinMonheim oder DeinHaan.

Euch hat unser Beitrag gefallen? Dann liked und teilt ihn gerne.