Ratssitzungen streamen – sinnvoll oder überflüssig?

Fraktionen verschieben die Testphase

Zugegeben: Sitzungen des Stadtrates und der Fachausschüsse sind für Zuschauer oftmals mühselig. Es wird stundenlang debattiert, bis eine Entscheidung getroffen (oder noch einmal verschoben) wird. Aber die meisten Entscheidungen sind für das Leben der Menschen in der Stadt nun mal nicht unbedeutend.

 

Wäre es da nicht praktischer, wenn man bequem von zu Hause aus die Sitzungen verfolgen könnte?

Mal abgesehen davon, dass es in der jetzigen Situation sogar ratsamer wäre.

Doch leider wird daraus erst einmal nichts.

 


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Testphase von 2022 auf 2023 verschoben

Zwar gab es eine Initiative im Ältestenrat, der eine einjährige Testphase für die fünf Ratssitzungen in 2022 beschlossen hatte. Dafür hätten aber 15.000 Euro zusätzlich aus dem Haushalt bereit gestellt werden müssen. Denn die Stadtverwaltung ist personell und technisch nicht für ein solches Projekt aufgestellt und müsste daher einen externen Dienstleister bestellen.

Und der hat seinen Preis: für Personal, zwei bis drei Kameras, Schnitt- und Editierleistungen und den Upload auf den Server wären so pro Sitzung rund 3.000 Euro fällig geworden, rechnet die Stadtverwaltung auf Anfrage von anzeiger24.de vor.

 

Angesichts der Haushaltslage ist das natürlich eine erhebliche Belastung für die Kasse.
Ein weiteres Beispiel dafür, dass die Stadt in Sachen Digitalisierung noch eine Menge aufzuholen hat.

 

Daher beantragte die SPD-Fraktion in der Dezember-Ratssitzung, das Streaming-Projekt von 2022 auf 2023 zu verschieben. 42 Ratsmitglieder stimmten dem zu, Grüne, FDP und Bürgeraktion (19 Stimmen) votierten gegen die Verschiebung.

 

Nur die Hälfte der Ratsmitglieder stimmte einer Übertragung zu

Doch abgesehen von der fehlenden Ausstattung im Rathaus stellen sich noch ganz andere Fragen: Laut Pressestelle haben nur 53% der Ratsmitglieder in einer Vorab-Umfrage ihre Zustimmung für eine Live-Übertragung gegeben.
Das bedeutet also: Rund die Hälfte der Mandatsträgerinnen und -träger wollen noch nicht einmal im Internet „in Erscheinung treten“. Dann wäre die ganze Aktion ohnehin sinnlos.

 

Außerdem: Wenn schon Live-Übertragung – warum dann nicht von den Ausschusssitzungen, wie Umwelt, Finanzen oder Stadtentwicklung? Denn dort werden die Beschlüsse gefasst, die später im Rat nur noch bestätigt, man könnte auch sagen „durchgewunken“ werden.

Gerade in den Fachausschüssen finden die spannenden Debatten statt, bei der die Fraktionen ihre Meinungen vorstellen können. Dort werden die Kompromisse geschmiedet, wenn es keine Mehrheiten zu einem Beschluss gibt.

Das alles ist in einer anschließenden Stadtrats-Sitzung längst gegessen.

 

Aber natürlich würde ein Streaming der Ausschusssitzungen die Kosten noch weiter in die Höhe treiben. Das Projekt wäre also noch schwerer zu finanzieren.

 

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Vorbild Kreis Mettmann?

Andere Frage: Warum nimmt sich die Stadt Hilden nicht ein Beispiel am Kreis Mettmann? Die Kreisverwaltung hat ebenfalls schon zwei Kreistagssitzungen im Oktober und Dezember gestreamt. Allerdings auch nur als Testphase, wie Pressesprecherin Daniela Hitzemann auf Anfrage erklärt: „Wie es weitergeht, wird der Kreistag demnächst entscheiden.“

 

Der Kreis hat ebenso einen externen Dienstleister für die Übertragung bestellt. Allerdings hat dies pro Kreistagssitzung „nur“ ca. 1.600€ „im Rahmen der vereinbarten Testphase“ gekostet, so Hitzemann. Heißt wohl: Nach der Testphase könnte es auch wieder teurer werden.
Dafür hat der externe Dienstleister die Ausstattung (Kameras) und zwei Mitarbeiter geliefert. Die Mikrofonanlage wurde separat zur Verfügung gestellt.

 

Und auch die Kreistagsmitglieder waren offener für den neuen Mediendienst: „Alle übertragenen Personen haben im Vorhinein eine Einverständniserklärung unterschrieben. Zwei der 86 Abgeordneten haben der Übertragung nicht zugestimmt. Gleichzeitig haben alle Übertragenen Personen die Möglichkeit, von einem ad-hoc-Widerrufsrecht Gebrauch zu machen“, erklärt Daniela Hitzemann.

 

Und wie war überhaupt die Resonanz bei der Bevölkerung?

Die Sitzung am 7. Oktober 2021 haben laut Kreis Mettmann insgesamt 4.321 Personen verfolgt, darunter 350 „gleichzeitige“ Zuschauerinnen und Zuschauer; durchschnittliche Verweildauer: 14 Minuten.

Am 13. Dezember 2021 sahen 758 Personen zu, darunter 466 „gleichzeitige Zuschauerinnen und Zuschauer“; durchschnittliche Verweildauer: 19 Minuten.

 

Klingt ja nicht sehr berauschend bei einer Bevölkerung von rund 485.680 Menschen. „Das ist ein laut Angabe des Dienstleisters ein vergleichbarer hoher Wert“, entgegnet Daniela Hitzemann. „Im Allgemeinen liegt die Verweildauer zwischen fünf und zehn Minuten. Die Sitzungen sind auf der Internetseite des Kreises Mettmann archiviert und somit auch nachträglich abrufbar. Bisher haben wir viel positives Feedback erhalten.“


Dennoch fragt man sich angesichts dieser Erfahrungswerte: Lohnt sich das überhaupt…?
Ein schöner Service an die Bürgerinnen und Bürger wäre es trotzdem…

 

➤ Auch die Stadt Monheim hat so ihre Erfahrungen mit dem Thema gemacht…

Bericht: Achim Kaemmerer
Fotos: Archiv anzeiger24.de / Monoar/Pixabay / Collage: anzeiger24.de

 

 


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