Hundesteuer-Posse: Jetzt lässt die Stadt die Katze aus dem Sack

27.07.2022

Rathaus: Auch Pflegehunde sind steuerpflichtig – Recherchen über Facebook etc. sind rechtens

Wie kam die Stadt Hilden auf den Gedanken, dass Marianus Krall Hundesteuer zahlen muss, obwohl er betont, keine eigenen Hunde zu haben?

Wochenlang hielt sich die Stadtverwaltung bei Nachfragen bedeckt. Und dann war die Aufregung groß, als herauskam, dass sich die Behörde auf Facebook-Beiträge mit Hundefotos bezieht.

Nun hat die Verwaltung sehr ausführlich zu unseren Fragen Stellung (Antworten kursiv) bezogen, da Krall sie vom "Steuergeheimnis" entbunden hat:

 

Wir gehen davon aus, dass sich die Stadt nicht „einfach so“ das Facebook-Profil von Hr. Krall angeschaut hat. Was war eigentlich der Auslöser für das Verfahren?


Die Stadt hat das Profil nicht nach Beweisen durchsucht oder diese gesammelt. Herr Krall hat den Aufenthalt von Hunden in seinem Haushalt öffentlich und für alle Nutzerinnen und Nutzer der Plattform frei zugänglich in den Sozialen Netzwerken dargestellt, so z.B. die Angabe, einen neuen Pflegehund aufgenommen zu haben.

Die öffentlich geposteten Beiträge und Fotos wurden Anfang 2021 gesichtet. Auf dieser Basis wurde Herr Krall angeschrieben und zur Mitwirkung aufgefordert, bekannt zu geben, um welche Hunde es sich in seinem Haushalt handelt.

 

Grundsätzlich erfolgen behördliche Recherchen ausschließlich anlassbezogen.

 

Anmerkung der Redaktion: Damit ist noch immer nicht die Frage beantwortet, warum die Stadt ausgerechnet das Facebook-Profil von Marianus Krall gesichtet hat.
Auf Nachfrage antwortet uns das Rathaus: „Für die Recherche gab es einen Anlass, Einzelheiten kann die Stadtverwaltung allerdings nicht mitteilen.“

 

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"Social Media-Recherchen sind rechtens" und "alle Steuerzahlenden haben gleiche Rechten und Pflichten"


Ist das Sichten von Social Media-Profilen rechtens?


Behördliche Facebook- oder Instagram-Recherchen
sind rechtlich zulässig, grundsätzlich verwertbar und schon länger üblich – und das nicht nur in Hilden, sondern deutschlandweit.

Öffentlich zugängliche Daten im Internet dürfen von Behörden für ihre Arbeiten verwendet werden.

Wer frei zugänglich Beiträge und Fotos in den sozialen Medien postet, will kommunizieren und sich vernetzen – und das im Zweifel öffentlich.

 

Auf der anderen Seite ist die Geltendmachung von steuerlichen Forderungen, zu denen auch die Hundesteuer zählt, Teil der Eingriffsverwaltung.

Wenn sich die Verwaltung nun folgerichtig dieses Mediums bedient, beruht dieses Vorgehen auf gesetzlichen Grundlagen und ist im Interesse einer Gesellschaft, in der alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gleiche Rechte und Pflichten haben.

 

Selbstverständlich könnte die Stadt künftig auf eine Internet-Recherche verzichten. Dann muss aber auch klar sein, dass die Verwaltung sich damit auf einem Auge blind machen würde und hiermit Einbußen beim Steueraufkommen verbunden wären.

 

Hunde in Pflege oder Verwahrung: "Keine Angaben zu Halterinnen/-haltern gemacht"


Aber Hr. Krall erklärt doch, dass die abgebildeten Hunde nicht ihm gehören, sondern seiner Tochter, bzw. Bekannten.


Es haben sich Hunde im Haushalt des Herrn Krall aufgehalten. Hierzu wurde Hr. Krall zur Aufklärung aufgefordert. Denn wer Hunde in seinen Haushalt aufnimmt, ist zum Nachweis der abweichenden Hundehalter/innen verpflichtet.

 

Hundehalter/in im Sinne der Hundesteuersatzung der Stadt Hilden ist, wer einen Hund in seinen Haushalt aufgenommen hat und wer einen Hund zur Pflege oder Verwahrung in seinen Haushalt aufgenommen hat und nicht nachweist, dass der Hund bereits von einem anderen Hundehalter/einer anderen Hundehalterin versteuert wird.

 

Wenn sich also in einem Haus ein Hund aufhält, der in diesem nicht gemeldet ist, wird eine Aufforderung versendet, diesen anzumelden oder aber anzugeben, wer abweichend Hundehalter/in ist.

Es reicht nicht die Angabe aus, dass die Hunde im eigenen Haushalt einem nicht gehören, um von der Steuer befreit zu werden.

Wäre dies so, würde die Hundesteuer wahrscheinlich schnell unterlaufen.

 

 

Die Stadt hat also Hr. Krall mehrfach angeschrieben?


Herr Krall wurde in dem Zeitraum von Februar 2021 bis Januar 2022 mehrfach angeschrieben, zuletzt mittels Anhörung zum Erlass eines Hundesteuer-Schätzbescheides.

Da sämtliche Schreiben bzw. Anhörungen unbeantwortet blieben, erfolgte am 31. Januar 2022 basierend auf einer Schätzung der Erlass des Steuerbescheides, der so genannte „Schätzbescheid“.

 

"Widerspruch war formal unzulässig und unbegründet" 


Hr. Krall hat aber Widerspruch eingelegt und auch die wahren Hundehalterinnen und -halter benannt.


Der im Februar mittels E-Mail eingelegte Widerspruch wurde nach eingehender rechtlicher Würdigung mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2022 zurückgewiesen.

 

Ein Widerspruch kann nur schriftlich, in elektronischer Form nach §3a Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes, wonach die E-Mail mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen und an die elektronische Poststelle der Stadt Hilden, [email protected], zu übermitteln ist oder zur Niederschrift bei der Stadt Hilden eingelegt werden.

Der Widerspruch wurde am 17. Februar 2022 per E-Mail an [email protected] ohne die erforderliche qualifizierte elektronische Signatur übermittelt, sodass er als formal unzulässig zurückzuweisen war.

 

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Darüber hinaus war der Widerspruch auch im rechtlichen Sinne „unbegründet“. Mit den Schreiben bzw. Anhörungen im Zeitraum von Februar 2021 bis Januar 2022 wurde Herrn Krall mehrfach die Gelegenheit eingeräumt, sich zum Sachverhalt zu äußern. Hiervon machte er keinen Gebrauch.

 

Die erforderliche Angabe der abweichenden Hundehalter/innen erfolgte erst Ende Juni 2022 und damit rund vier Monate nach Ablauf der Widerspruchsfrist des Schätzbescheides und zeitgleich mit Erlass des Widerspruchsbescheids.

Hr. Krall hat damit den bestandskräftigen Schätzbescheid in Höhe von aktuell 1.404 Euro durch fehlende Mitwirkung zu vertreten.

  

Sprechstunde bei Bürgermeister Pommer: "Schätzbescheid war bereits bestandskräftig"


Nach Auskunft von Hr. Krall hat Bürgermeister Claus Pommer in seiner Bürgersprechstunde den Fall für „erledigt“ erklärt. Hr. Krall hat sich daraufhin auf diese Aussage verlassen. Was sagt die Stadtverwaltung zu diesem „unglücklichen Verlauf“?


Mitte März 2022 hat ein Gespräch zwischen Bürgermeister Claus Pommer und Marianus Krall stattgefunden. Claus Pommer sagte damals zu, sich nach dem aktuellen Stand zu erkundigen und – falls möglich – zu helfen.

Es stellte sich allerdings heraus, dass zum Zeitpunkt des Gesprächs die Widerrufsfrist bereits verstrichen und der Schätzbescheid damit bestandskräftig war. 

 

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Fazit und Bewertung

Nun liegen also – fast – alle Fakten auf dem Tisch. Wir ziehen eine persönliche Bilanz und bewerten den Fall aus unserer Sicht:

Die Stadt hat offenbar streng formaljuristisch rechtmäßig gehandelt und im Sinne des Verwaltungsrechts einfach nur ihren Job wie vorgeschrieben erledigt.

 

Und Marianus Krall hat – streng formaljuristisch gesehen – einige verhängnisvolle Formfehler begangen. In Facebook-Kommentaren betont er, dass er die Anschreiben der Stadt ‚nicht so richtig‘ beachtet habe, u.a. wegen eines Pflegefalls. Das ist menschlich verständlich, doch das Versäumnis wird ihn wohl jetzt rund 1.400 Euro kosten – wenn nicht noch eine neue Wendung im Fall eintritt und der Schätzbescheid doch zurück genommen wird.

 

Dennoch drängt sich jetzt die Frage auf: Ist das nicht einfach nur "typisch deutsche Bürokratie"? Wer ist nun wirklich „im Recht“?

 

Marianus Krall muss sich gegenüber Behörden rechtfertigen, dass er sich um Hunde kümmert (die nach seiner Auskunft bereits rechtmäßig versteuert sind). Das mag laut Hildener Hundesteuersatzung (§1, Abs. 3) legitim sein. „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“, sagt schließlich der Volksmund.

Es darf aber nicht vergessen werden: Wenn Marianus Krall wirklich keine eigenen Hunde hat, dann hat er schlicht und ergreifend kein Unrecht begangen (wobei die Stadt ja nach wie vor zum Anlass der Facebook-Recherche nichts sagen möchte).

Hier tut sich eine Kluft zwischen „Verwaltungsdenken“ und dem Rechtsempfinden vieler Menschen auf.

 

Die Stadt sagt uns, sie sei „an Recht und Gesetz“ gebunden – dann stimmt da vielleicht mit dem Gesetz etwas nicht?

Es greift halt die Binsenweisheit: "Recht haben und Recht bekommen, das sind zwei verschiedene Paar Schuhe"...? Es ist und bleibt ein verzwickter Fall, bei dem "der Hund in der Pfanne verrückt werden" könnte...

 

Bericht: Achim Kaemmerer
Foto: mohamed_hassan/AbsolutVision/M. Schwarzenberger/G.Johnson / Pixabay / Collage: anzeiger24.de

 


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