CO-Pipeline: 17 Jahre Streit und Kampf um ein umstrittenes Industrie-Projekt

13.01.2024

Covestro will Kohlenmonoxid per Rohrleitung durch Wohngebiete transportieren – Anlieger und Städte wehren sich

Ender der Nuller-Jahre war es das Aufreger-Thema im Kreis Mettmann. Der Protest ist inzwischen nicht mehr so laut, aber das Thema ist noch lange nicht beendet – und das im mittlerweile 17. Jahr. Denn so lange schon kämpfen Menschen aus den Städten Hilden, Langenfeld, Monheim, Erkrath und Ratingen sowie aus Solingen und Duisburg gegen die Inbetriebnahme einer CO-Pipeline vor ihrer Haustür und haben sich teilweise in einer Bürgerinitiative organisiert.

 

Breidohr

 

Worum geht es?

Die BayerMaterialScience (BMS AG) aus Leverkusen hat 2007 mit der Verlegung einer Rohrleitung begonnen, die zwischen den Standorten Dormagen und Krefeld-Uerdingen giftiges Kohlenmonoxid (CO) transportieren soll. Im Werk Dormagen entsteht der Stoff, in Krefeld wird er zur Produktion von Kunststoffprodukten gebraucht. Inzwischen wird das Projekt von der Covestro Deutschland AG geführt, das ebenfalls im Leverkusener Chempark ansässig ist.

Die Pipeline darf aber noch immer nicht in Betrieb gehen, weil viele strittigen Fragen weiterhin ungeklärt sind.

 

Hochgiftiges Gas

Die 67 Kilometer lange Trasse verläuft unter anderem durch Wohngebiete. Die betroffenen Anlieger fürchten um ihr Leben, wenn ein Leck in der Leitung auftritt, weil CO sofort tödlich wirkt.

Kohlenmonoxid ist ein nicht sichtbares und geruchloses hochgiftiges Gas. Man merkt also nicht einmal, wenn man es einatmet.

 

Private Grundstücke wurden enteignet

Außerdem hat die BMS die Rohre teilweise auf privaten Grundstücken verlegt. Was die betroffenen Anlieger der Trasse außerdem wurmt: Die damals schwarz-gelbe Landesregierung hat 2006 extra ein Gesetz erlassen, das die Enteignung der Grundstücke zulässt.

Begründung: Die CO-Pipeline diene dem „Allgemeinwohl“, da es Arbeitsplätze sichere. Die Verfassungsklagen ließen nicht lange auf sich warten.

 

Allerdings erklärte das Oberverwaltungsgericht Münster 2020: Der Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Düsseldorf, das "Rohrleitungsgesetz" und damit die Enteignung privater Grundstücke zwecks Trassenverlegung seien rechtmäßig.

 

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Doch die Gegner geben nicht auf. Denn für sie gibt es noch weitere Unsicherheitsfaktoren.

 

Sicherheits-Matte nicht sicher?

Eine Geo-Grid-Matte umhüllt die Rohre und soll beispielsweise einen Baggerführer warnen, falls er beim Buddeln auf die Leitung stoßen sollte.

Doch das Schutzgitter aus Kunststoff sei wirkungslos, erklärte der Bauingenieur Erwin Schumacher von der Gegner-Iniitiative aus Monheim einst: „Die kann ich mit bloßen Händen zerreißen. Und ein Baggerfahrer merkt es nicht, wenn er auf diese Matte trifft. Er wird einfach weiter baggern. Dann kann es schon zu spät sein – und das Gas tritt aus.“

 

Daher müsse nun eine zweite Geo-Grid-Matte verlegt werden. Doch das lasse auf sich warten, kritisiert Dieter Donner von der Initiative „Stopp CO-Pipeline“ aus Hilden.

Auf Nachfrage erklärt uns die Covestro: Die letzte Bauarbeiten entlang der Trasse, darunter die Verlegung des zweiten Geo-Grids, seien noch in Planung.

 

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Feuerwehr-Rettungsplan nicht durchführbar?

Und wie können Menschen gerettet werden, wenn der Notfall eintritt? Thomas Hendele, Landrat vom Kreis Mettmann, ist ebenfalls ein Pipeline-Gegner und kritisierte, dass eine Bekämpfung der Gefahr für die Feuerwehren nicht möglich sei.

 

Die Covestro AG erklärt auf Anfrage: „Die BMS AG hat 2008 im Einklang mit den gesetzlichen Anforderungen einen Alarm und Gefahrenabwehrplan (AGAP) entwickelt und mit den zuständigen Behörden sowie den örtlichen Feuerwehren unter Moderation der Bezirksregierung Düsseldorf abgestimmt. Das Dokument enthält unter anderem Informationen zu technischen Details, beschreibt das Sicherheitskonzept, definiert das Vorgehen für den unwahrscheinlichen Fall eines Austritts und stellt eine rasche und adäquate Reaktion sicher. Er enthält insbesondere auch Regelungen zur Koordinierung der Sicherheitszentrale des Chemparks, der Werkfeuerwehren sowie der lokalen Einsatzkräfte.“

 

Doch eben diesen Plan hatte der Kreis Mettmann abgelehnt. Dazu erklärt die Covestro: „In 2023 haben wir Aktualisierung vorgenommen und die angepasste Fassung den örtlichen Feuerwehren bereits Ende September mit der Bitte zur Kommentierung bis zum Jahresende vorgelegt. Dieser Bitte sind einige Feuerwehren bereits nachgekommen, andere haben sich mehr Zeit für die Kommentierung erbeten. Dieser Bitte sind wir nachgekommen. Sobald alle Rückmeldungen vorliegen, werden wir diese konsolidieren und – sofern noch Klärungsbedarf besteht – mit den Feuerwehren auch diskutieren.“

 

Dieter Donner aus Hilden von der Initiative gegen die Pipeline jedoch traut dem Ganzen nicht wirklich. Nach seinen Informationen enthalte der neue Plan keine besonderen Änderungen gegenüber der Altfassung.

 

Die Covestro aber erklärt auf Nachfrage: „Sobald die Abstimmung erfolgt, wird der neue Plan der Bezirksregierung zur Genehmigung vorgelegt. Die Leitung wird in Betrieb gehen, wenn alle rechtlichen und baulichen Voraussetzungen für ihren sicheren Betrieb erfüllt sind.“

 

Ist die Leitung überhaupt noch notwendig?

Es stellt sich bereits seit langem die Frage: Ist das Projekt nach so vielen Jahren überhaupt noch notwendig, wenn nicht sogar veraltet? Hat sich die Technik seitdem nicht weiter entwickelt? Und überhaupt: BMS, bzw. Covestro ist doch bisher auch ohne CO-Pipeline klargekommen – und hat bisher auch noch überlebt.

 

Dazu erklärt uns die Covestro: „An den Voraussetzungen für das Projekt hat sich nichts geändert. Deshalb steht Covestro weiterhin uneingeschränkt zur Verbindungsleitung. Das Projekt bleibt nach wie vor wirtschaftlich für Covestro, was die Bedeutung der Versorgungsleitung für den Standortverbund NRW unterstreicht. Grund dafür ist, dass die Produktionskapazitäten für Kohlenmonoxid am Standort Krefeld-Uerdingen begrenzt sind. Auch wird die Versorgung der Polymerproduktion derzeit jedes Mal gestoppt, sobald die lokale CO-Produktion unterbrochen wird.“

 

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Die großtechnischen Anlagen in Dormagen seien „die modernsten ihrer Art und stellen im Hinblick auf die Effizienz und Nachhaltigkeit der Produktion aktuell die Spitze des Machbaren dar. Die Verbindungsleitung ist die sicherste und ressourcenschonendste Möglichkeit, CO zwischen unseren Standorten zu transportieren“, heißt es weiter. „So schaffen wir einen sicheren, effizienten, standortübergreifenden Rohstoff-Verbund für die Kunststoff-Produktion in NRW – ein Anliegen, das heute wichtiger denn je ist, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Werke im Rheinland zu gewährleisten. Davon profitiert auch die weiterverarbeitende Industrie in NRW. Auch vor dem Hintergrund unserer ehrgeizigen Klimaziele und der Transformation der gesamten chemischen Industrie in Richtung Klimaneutralität ist dies der richtige Weg.“

 

Das alles beruhigt die Anlieger und die Gegner des Projektes nicht. Sie werden wohl nicht ruhen, bis die Inbetriebnahme endgültig verhindert wird.

 

Bericht: Achim Kaemmerer
Archivfotos: anzeiger24.de

 


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