Streit um Generationengerechtigkeit überschattet Bundestags-Debatte zum Rentenpaket
05.12.2025Trotz Abweichler: CDU bekommt eine Mehrheit zusammen – auch dank Enthaltung der Linken-Fraktion
Die Bundestagsdebatte zum Rentenpaket der Bundesregierung am Freitag, 5. Dezember 2025, ist von ungewöhnlich offen ausgetragenen Konflikten innerhalb der Union und scharfer Kritik zwischen CDU und SPD geprägt gewesen. Noch bevor das Parlament das Gesetz zur Stabilisierung des Rentenniveaus bis 2031 beschloss, entfachte insbesondere die geplante Verlängerung der Haltelinie und deren Finanzierung einen generationenpolitischen Grundsatzstreit – und stellte die Kanzlermehrheit zeitweise in Frage.
Es wurde im Vorfeld reichlich spekuliert: Kann Bundeskanzler Friedrich Merz eine Mehrheit für sein Vorhaben bekommen, noch dazu genügend Stimmen aus seinen eigenen Reihen?
Am Ende stimmten 318 Abgeordnete für den unveränderten Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stabilisierung des Rentenniveaus und zur vollständigen Gleichstellung der Kindererziehungszeiten zu.
224 Abgeordnete stimmten dagegen, darunter auch sieben Unions-Abgeordnete. Es gab 53 Enthaltungen – von zwei CDU-Mitgliedern, vornehmlich aber von der Fraktion Die Linke, was die Mehrheitsverhältnisse für die Koalition begünstigte. 35 Mitglieder des Parlaments nahmen gar nicht erst an der Abstimmung teil.
Junge Union gegen CDU-Spitze: „200 Milliarden Euro – ohne Plan, wie das bezahlt werden soll“
Im Zentrum der Auseinandersetzung stand der Widerstand jüngerer CDU-Abgeordneter, die sich demonstrativ gegen die Linie ihrer eigenen Fraktionsführung wandten. Sie kritisierten die im Gesetz vorgesehenen hohen Steuerzuschüsse zur Finanzierung der stabilen Renten und warnten – gestützt durch Berechnungen der Jungen Union – vor Mehrkosten von mehr als 200 Milliarden Euro bis 2040.
Der Vorwurf: Die Bundesregierung sichere heutige Renten auf Kosten der jungen und noch nicht geborenen Beitragszahler. Zudem verstoße die Koalition gegen ihren eigenen Vertrag, der zwar eine Haltelinie bis 2031 vorsieht, aber erst danach eine Expertenkommission zur Zukunft der Rente einplanen soll. Stattdessen plant die Regierung bereits jetzt eine Garantie bis 2040, obwohl die Kommission noch nicht einmal eingesetzt wurde.
Koalitionsstreit: SPD verteidigt Stabilität – CDU drängt auf Reformkurs
Auch innerhalb der Koalition prallten unterschiedliche Prioritäten aufeinander. Die SPD verteidigte die Haltelinie mit dem Hinweis auf verlässliche Alterssicherung, besonders für Menschen mit niedrigen Einkommen, und warf der Union mangelnde Reformbereitschaft in ihren Regierungsjahren vor. Der CDU hingegen ist die Entscheidung „zu teuer und zu wenig zukunftsfest“. Sie sieht dringenden Bedarf für strukturelle Reformen, die das Verhältnis von Beitragszahlern und Rentnern stärker berücksichtigen.
Während die SPD betonte, dass ohne Verlängerung der Haltelinie die Renten real sinken würden, kritisierte die CDU, dass die Politik mit dem Paket lediglich Zeit kaufe, statt sich den langfristigen Herausforderungen des Umlagesystems zu stellen.
Die Debatte nach der Debatte
Und auch nach der Abstimmung geht die Diskussion weiter: Der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel, zweifelt daran, dass die künftige Rentenkommission 2026 durchgreifende Reformen erzielt: "Dies ist die erste Kommission in der Geschichte der Kommissionen, die zuerst die Entscheidung trifft und erst danach diskutiert. Ich bin gespannt, ob das gelingt, aber habe meine Zweifel daran sehr deutlich kundgetan", so Winkel im Interview mit dem Fernsehsender phoenix. Der CDU-Politiker hatte bei der Abstimmung gegen das Gesetzespaket votiert. Nun stehe die Regierung im Wort, dass man 2026 zu echten Ergebnissen komme. "Die Kommission muss bei einem leeren Blatt Papier starten", sprach sich Winkel gegen Denkverbote aus. Er persönlich habe Zweifel, ob die SPD bereit sei, bei diesem Thema Kompromisse einzugehen. Dabei sei eine große Rentenreform zwingend. "Der finanzielle Druck auf den Bundeshaushalt wird durch den demografischen Wandel so exorbitant hoch, dass uns nichts anderes übrigbleibt, als echte Reformen zu beschließen", war der Chef der Jungen Union überzeugt. Stünden im aktuellen Etat noch 15 Prozent für Investitionen zu Verfügung, wären es in der 30er Jahren nur noch etwa drei Prozent. Dies sei dann "de facto eine Versteinerung des Haushalts", meinte Winkel.
Vizekanzler, Finanzminister und SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil zeigte sich ebenfalls bei phoenix erleichtert: "Wir haben gesagt, alles muss in dieser Kommission diskutiert werden. Und alles heißt alles." Dazu gehöre für ihn auch die Möglichkeit, künftig Abgeordnete in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen zu lassen: "Ich kämpfe seitdem ich im Deutschen Bundestag bin dafür, dass endlich auch wir Politiker in die gesetzliche Rente einbezogen werden. Das ist vielleicht nur eine kleine Veränderung, aber es ist auch eine Veränderung, die wir in dieser Kommission vorantreiben können. Das würde ein bisschen mehr Gerechtigkeit mit sich bringen und es würde auch ein bisschen auch eine finanzielle Entlastung mit sich bringen." Alle müssten ihren Teil der Verantwortung tragen, machte Klingbeil deutlich: "Man wird das nicht auf eine Gruppe einseitig in der Gesellschaft abschieben können."
Zu den Diskussionen vor der Abstimmung im Parlament sagte er: "Natürlich wäre Streit vermeidbar gewesen. Das gehört zur Demokratie aber mit dazu. Das muss man akzeptieren." Insgesamt habe die Debatte gezeigt, "dass wir eine hohe Verantwortung dafür tragen, unser Land voranzubringen." "Diese Entscheidung war wichtig, aber es entlässt uns nicht von der Verantwortung, die wir als Regierung tragen, das Rentensystem jetzt auch neu aufzustellen, wichtige Strukturveränderungen jetzt auch zu treffen. Die Debatte wird weitergehen."
Die Grünen gehörten neben der AfD zu den Fraktionen, die gegen das Paket gestimmt hatten. Die Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann erklärte gegenüber phoenix: "Dieses Rentenpaket löst die Sicherung der Altersversorgung der Rente für Jung und Alt in keiner Weise." Weder zukünftigen Generationen noch von Altersarmut betroffenen Frauen biete das Rentenpaket Sicherheit. Was das Thema Rente dagegen gezeigt habe, sei, "wie handlungsunfähig diese Koalition ist", so Haßelmann.
Friedrich Merz habe "mit allerletzter Kraft verhindert, dass diese Koalition aus der Kurve gestiegen ist", so die Grünen-Politikerin. Es gebe "viel Geziehe und Gezanke", sei es beim zweiten Wahlgang der Kanzlerwahl, der Bundesverfassungsrichterwahl und jetzt beim Rentenpaket - von der Koalition gehe "Streit um jedes Thema aus", resümiert die Grünen-Fraktionsvorsitzende die Abstimmung um das Rentenpaket.
Die weiteren Inhalte des Rentenpakets
Trotz der Konflikte beschloss der Bundestag das Gesetz mit 318 Ja-Stimmen. Die Kernpunkte:
Stabilisierung des Rentenniveaus
- Rentenniveau bleibt bis 2031 bei mindestens 48 Prozent.
- Der Nachhaltigkeitsfaktor bleibt bis 2031 ausgesetzt; erst danach könnte er wieder wirken.
- Die höheren Kosten werden aus Steuermitteln gedeckt, um steigende Beitragssätze zu vermeiden.
Gleichstellung der Kindererziehungszeiten („Mütterrente“)
- Für vor 1992 geborene Kinder werden weitere sechs Monate Erziehungszeit angerechnet – künftig für alle Kinder insgesamt drei Jahre.
- Die daraus entstehenden Kosten trägt ebenfalls der Bund.
Aufhebung des Anschlussverbots
- Menschen, die die Regelaltersgrenze erreicht haben, können künftig wiederholt sachgrundlos befristet bei ihrem bisherigen Arbeitgeber weiterarbeiten.
Begleitgesetze: Stärkere Betriebsrenten und steuerfreie „Aktivrente“
Zusätzlich verabschiedete der Bundestag zwei weitere Gesetze:
- Zweites Betriebsrentenstärkungsgesetz: Ausbau der betrieblichen Altersversorgung, besonders für kleine Unternehmen und Beschäftigte mit geringen Einkommen; mehr Flexibilisierung beim Abfindungsrecht.
Der Normenkontrollrat sieht allerdings ungenutztes Entlastungspotenzial bei der Bürokratie. - Aktivrentengesetz: Einführung eines steuerfreien Arbeitslohns von bis zu 2.000 Euro monatlich für weiterarbeitende Beschäftigte im Rentenalter. Ziel ist es, Anreize für längeres Arbeiten zu schaffen und Engpässe auf dem Arbeitsmarkt zu entschärfen.
Quelle: Bundestag / tagesschau / Phoenix
bearb.: KA
Foto: falco / Pixabay
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