
Krankenhausreform auch vom Bundesrat gebilligt – Doch die Kritik bleibt
23.11.2024Lange wurde am Gesetz herumgedoktert – Was bringt es, was befürchten die Betroffenen?
Nichts geringeres als die Umstrukturierung des Klinik-Systems will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit seiner Krankenhaus-Reform erreichen. Nach der Verabschiedung am 17. Oktober 2024 im Bundestag hat nun auch der Bundesrat das Gesetz am 22. November 2024 bewilligt – auch wenn die Abstimmung eng war und viele Bundesländer immer noch Kritik üben.
Wie auch immer: Am 1. Januar 2025 kann die Krankenhausreform in Kraft treten.
Worum geht’s?
Kernpunkt ist die Einführung einer Vorhaltevergütung, die bedarfsnotwendigen Krankenhäusern unabhängig von der Leistungserbringung finanzielle Sicherheit bietet. Diese Vergütung wird für Leistungsgruppen gewährt, die Krankenhäusern von den Landesbehörden zugewiesen werden, vorausgesetzt, sie erfüllen bundesweite Qualitätskriterien.
Was ändert sich für Patientinnen und Patienten?
- Qualitätssteigerung: Künftig werden Krankenhausleistungen nur dort erbracht, wo Personal, Ausstattung und Fachdisziplinen den Anforderungen genügen. Das soll die Behandlungsqualität verbessern.
- Erleichterte Facharztversorgung: In ländlichen Gebieten sollen „Level 1i“-Krankenhäuser sektorenübergreifende Leistungen und bei Bedarf auch allgemeinmedizinische Behandlungen übernehmen.
- Ambulante Kinderbehandlungen: Kinder und Jugendliche mit schweren Erkrankungen können ohne Überweisung ambulant in Kinderkliniken versorgt werden.
Was ändert sich für die Krankenhäuser?
- Weniger ökonomischer Druck: Durch die Vorhaltevergütung und die vollständige Refinanzierung von Tarif- und Kostensteigerungen ab 2024 werden finanzielle Belastungen reduziert.
- Förderung spezieller Leistungen: Zusätzliche Mittel gibt es u.a. für Geburtshilfe, Pädiatrie, Intensivmedizin und Notfallversorgung.
- Qualitätsvorgaben: Leistungen werden in 65 Gruppen mit klaren Mindestanforderungen eingeteilt, die auch durch Kooperationen erfüllt werden können.
- Ausnahmeregelungen: Für ländliche Krankenhäuser sind unbefristete Ausnahmen von Qualitätskriterien möglich, um die Versorgung sicherzustellen.
- Strukturfonds: Ein Transformationsfonds mit 50 Milliarden Euro unterstützt die Reform über zehn Jahre.
Weitere Maßnahmen
- Personalbemessung: Ein wissenschaftlich getestetes Instrument soll zunächst für Ärzt:innen eingeführt werden.
- Entbürokratisierung: Prüfintervalle werden verlängert, Verfahren vereinfacht, und der Fixkostendegressionsabschlag entfällt.
Bis Ende 2026 können die Länder ihren Kliniken Leistungsgruppen zuweisen. 2027-28 wird das Finanzsystem langsam schrittweise umgestellt. 2029 ist dieser Prozess abgeschlossen.
Deutsche Krankenhausgesellschaft befürchtet eher Verschlechterung, mehr Bürokratie und Klinik-Sterben
Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) ist nicht wirklich begeistert und überzeugt von der Novelle.
Nach Ansicht ihres Vorstandsvorsitzenden Dr. Gerald Gaß verfehlt das Gesetz die angestrebten Ziele einer verbesserten Versorgung und Entökonomisierung der Krankenhäuser und verschärft stattdessen die bestehenden Probleme.
Hauptkritikpunkte:
- Verschlechterung der Versorgung: Anstelle der versprochenen Verbesserungen drohen der Abbau von Versorgungsangeboten, längere Wartelisten, weitere Wege und Unsicherheit für Patient:innen – besonders in ländlichen Regionen.
- Wirtschaftliche Unsicherheit: Die Reform lindert die finanzielle Not der Kliniken nicht und wird Krankenhausinsolvenzen eher beschleunigen. Die geplanten Vorhaltepauschalen reichen nicht aus, um kleinere und mittelgroße Kliniken zu sichern, und könnten sogar für große Zentren zum Verlustgeschäft werden.
- Bürokratische Belastung: Die Reform erhöht den Verwaltungsaufwand, anstatt ihn zu verringern. Die DKG kritisiert eine Kultur der Kontrolle und Bevormundung statt Vertrauen und Entlastung für die Beschäftigten.
- Kein Schutz für ländliche Krankenhäuser: Die Vorhaltefinanzierung ist laut Studien untauglich, um Krankenhäuser in ländlichen Gebieten zu sichern oder Insolvenzen zu verhindern.
- Versäumnisse des Ministers: Laut DKG hat Gesundheitsminister Lauterbach den Fokus zu sehr auf regulatorische Eingriffe gelegt, anstatt grundlegende Herausforderungen wie Prävention oder die wirtschaftliche Stabilisierung der Kliniken anzugehen.
Forderungen der DKG
- Einführung eines neuen Ansatzes zur Finanzierung, wie das Modell aus Nordrhein-Westfalen.
- Erweiterung bestehender Instrumente zur Strukturkostenfinanzierung statt der Vorhaltepauschalen.
- Rasche und konsequente Entbürokratisierung, um den Kliniken mehr Handlungsspielraum zu geben.
- Die DKG fordert eine Überarbeitung der Reform durch die nächste Bundesregierung und ein Sofortprogramm zur Überbrückungsfinanzierung. Sie sieht Minister Lauterbach als ungeeignet für die notwendige Neuorientierung und betont die Dringlichkeit eines besseren Miteinanders zwischen Ministerium und Akteuren des Gesundheitssystems.
Quelle: Bundesgesundheitsministerium / Deutsche Krankenhausgesellschaft / Bundesrat / tagesschau
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