IW-Studie: Fachkräftekrise spitzt sich zu – Zukunft ohne Nachwuchs?

14.07.2025

Bis 2028 könnten 770.000 Stellen unbesetzt bleiben – besonders betroffen: Pflege, IT und Metallbau

Der deutsche Arbeitsmarkt steuert trotz zuletzt schwächerer Konjunktur auf einen anhaltenden Fachkräftemangel zu. Laut einer aktuellen Trendfortschreibung des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) könnten im Jahr 2028 rund 768.000 Stellen unbesetzt bleiben – und zwar trotz steigender Erwerbsbeteiligung und Zuwanderung. Besonders betroffen sind soziale und pflegerische Berufe, der Einzelhandel sowie das IT-Segment. Die Studie analysiert aktuelle Trends auf Basis der Entwicklung zwischen 2016 und 2023.

 

Fachkräftelücke wächst deutlich

Im Vergleich zum Jahresdurchschnitt 2024 – mit rund 487.000 unbesetzten Stellen – wäre das ein Zuwachs von über 280.000. Das IW spricht von einer strukturellen Lücke, die sich nicht allein durch demografischen Wandel, sondern auch durch Qualifikationsmängel, regionale Passungsprobleme und technologischen Wandel erklärt.

 

Banner-Lidl-Pad-Sept-2021

 

Obwohl zwischen 2023 und 2028 jährlich im Schnitt 397.000 zusätzliche Beschäftigungsverhältnisse erwartet werden, bremst der Rückgang an qualifizierten Fachkräften mit Berufsausbildung den Arbeitsmarkt zunehmend aus. Der Anteil dieser Fachkräfte an allen Erwerbstätigen wird weiter sinken – nicht wegen geringerer Nachfrage, sondern wegen altersbedingten Austritts aus dem Erwerbsleben.

 

Wachstum vor allem in sozialen und digitalen Berufen

Besonders stark wachsen dürften laut IW die sozialen und erzieherischen Berufe: So wird bis 2028 mit einem Plus von 136.400 Stellen bei Erzieherinnen und Erziehern gerechnet – auch getrieben durch politische Ausbaubestrebungen im Bereich frühkindlicher Bildung. Ähnlich entwickeln sich Pflege- und Sozialarbeitsberufe, wobei die Engpässe in der Altenpflege zuletzt leicht zurückgegangen sind – möglicherweise durch verbesserte Arbeitsbedingungen und gezielte Aufwertung.

 

Noch dynamischer zeigt sich das Wachstum im IT-Sektor: Hier wird ein Beschäftigungszuwachs von über 26 % erwartet. Der technologische Wandel lässt die Nachfrage nach Softwareentwicklern, Datenanalysten und IT-Sicherheitsfachleuten rasant steigen – doch der Arbeitsmarkt kann den Bedarf kaum decken.

 

Rückgänge in klassischen Industrieberufen

Gleichzeitig erwarten die IW-Ökonomen starke Rückgänge in klassischen Industrieberufen. Besonders Metallbau-Fachkräfte sind betroffen: Ihre Zahl könnte bis 2028 um 14,1 % sinken. Der Beruf zählt zugleich zu den Berufen mit dem höchsten Fachkräftebedarf – eine paradoxe Situation, die auf den raschen demografischen Abgang vieler erfahrener Fachkräfte verweist. Auch in Bankberufen sieht die Studie einen deutlichen Beschäftigungsrückgang von 15 % – getrieben durch Digitalisierung und Filialschließungen.

 

Zuwanderung reicht nicht aus – Integration bleibt Herausforderung

Die Studie betont, dass die Nettozuwanderung – insbesondere qualifizierter Fachkräfte – den demografischen Rückgang zwar teilweise kompensieren kann. Doch es bedarf weiterer politischer Maßnahmen, um die Potenziale wirklich zu heben. Zwar habe sich die Integration ukrainischer Geflüchteter schneller als erwartet vollzogen, dennoch bleibe der langfristige Verbleib ausländischer Arbeitskräfte in Deutschland eine große Baustelle.

 

„Visavergabe, berufliche Anerkennung und Willkommenskultur müssen verbessert werden, wenn Deutschland im internationalen Wettbewerb um Talente bestehen will“, so die Autoren der Studie.

 

Fachkräftesicherung bleibt wirtschaftspolitische Daueraufgabe

Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage – schwache Konjunktur, stockende Neueinstellungen, zunehmende Passungsprobleme – dürften die optimistischen Beschäftigungserwartungen der IW-Fortschreibung in der Praxis kaum realisiert werden. Dennoch bleiben die Kernbotschaften eindeutig: Die Fachkräftelücke wird langfristig nicht verschwinden – im Gegenteil.

 

Notwendig seien:

  • Bessere Berufsorientierung und Ausbildung im dualen System,
  • gezielte Qualifizierung von Arbeitslosen für Mangelberufe,
  • und konsequente Nutzung des novellierten Fachkräfteeinwanderungsgesetzes.

 

Fazit: Deutschland steht vor einem strukturellen Umbau des Arbeitsmarktes. Wer nicht investiert – in Bildung, Integration und bessere Arbeitsbedingungen – wird beim globalen Wettbewerb um Talente auf der Strecke bleiben.

 

Quelle: IW

 

Weitere Nachrichten gibt es unter www.anzeiger24.de und Deutschland-News