
EU-Parlament beschließt umfassende Reform zum europaweiten Führerschein
21.10.2025Neue Regeln für Fahranfänger, Gesundheitschecks und digitalen Führerschein – TÜV-Verband lobt Modernisierung, warnt aber vor Sicherheitslücken
Das Europäische Parlament hat am Dienstag, 21. Oktober 2025, eine weitreichende Reform der EU-Führerscheinrichtlinie beschlossen. Ziel der überarbeiteten Vorschriften ist es, die Verkehrssicherheit zu erhöhen und die Zahl der Verkehrstoten in der Europäischen Union deutlich zu senken. Jährlich verlieren rund 20.000 Menschen auf Europas Straßen ihr Leben – das soll sich mit den neuen Regeln ändern.
Mehr Sicherheit durch neue Ausbildungsstandards
Wer künftig in der EU eine Fahrerlaubnis erwerben will, muss stärkeres Augenmerk auf Verkehrssicherheit und Gefahrenprävention legen. Fahrprüflinge sollen künftig nachweisen, dass sie die Risiken des toten Winkels kennen, mit Fahrerassistenzsystemen umgehen können, Türen sicher öffnen und die Gefahren durch Handynutzung verstehen. Auch das Bewusstsein für Fußgänger, Kinder und Radfahrer soll in Ausbildung und Prüfung stärker verankert werden.
Führerschein-Gültigkeit und Gesundheitschecks
Die Gültigkeit von Pkw- und Motorradführerscheinen wird auf 15 Jahre festgelegt – Mitgliedstaaten können diese Frist verkürzen, etwa wenn der Führerschein zugleich als Ausweis dient. Für Bus- und Lkw-Fahrer gilt eine fünfjährige Laufzeit. Staaten dürfen die Gültigkeitsdauer für über 65-Jährige verkürzen, um regelmäßige Gesundheitsprüfungen oder Auffrischungskurse zu fördern.
Vor der Erteilung oder Verlängerung eines Führerscheins ist künftig ein Gesundheitscheck vorgeschrieben, einschließlich Sehtest und Untersuchung des Herz-Kreislauf-Systems. Alternativ können Länder auf nationale Selbsteinschätzungsformulare oder andere Bewertungssysteme setzen.
Probezeit und begleitetes Fahren
Erstmals schreibt die EU eine zweijährige Probezeit für Fahranfänger vor. In dieser Zeit gelten strengere Sanktionen bei Verstößen – etwa bei Alkohol am Steuer oder dem Nichtanlegen des Gurts.
Jugendliche können künftig bereits mit 17 Jahren die Pkw-Fahrerlaubnis erwerben, dürfen jedoch bis zum 18. Geburtstag nur in Begleitung erfahrener Fahrerinnen oder Fahrer unterwegs sein. Damit soll die Verkehrserziehung früher beginnen, ohne die Sicherheit zu gefährden.
Auch im Bereich der Berufskraftfahrer bringt die Reform Änderungen: 18-Jährige dürfen künftig Lkw fahren, 21-Jährige Busse – sofern sie entsprechende Befähigungsnachweise erbringen. Ohne diesen Nachweis bleiben die Altersgrenzen bei 21 beziehungsweise 24 Jahren.
Der digitale Führerschein kommt
Ein Kernstück der Reform ist der digitale Führerschein. Er soll schrittweise zum Standardformat werden und per Smartphone abrufbar sein. Gleichwohl bleibt es möglich, einen klassischen Führerschein im Kartenformat zu beantragen. Dieser soll innerhalb von drei Wochen ausgestellt werden. Ziel ist ein einheitliches, EU-weites System, das Verwaltungsverfahren vereinfacht und Fälschungssicherheit erhöht.
Grenzüberschreitende Aberkennung der Fahrerlaubnis
Neu geregelt wird auch der Umgang mit Fahrverboten im Ausland. Wird einem Fahrer in einem EU-Staat die Fahrerlaubnis entzogen, muss dies künftig an den Ausstellungsstaat gemeldet werden. So sollen schwere Verstöße wie Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss, tödliche Unfälle oder extreme Geschwindigkeitsüberschreitungen EU-weit Konsequenzen haben.
TÜV-Verband: Fortschritte bei Digitalisierung, Kritik an Sicherheitslücken
Der TÜV-Verband begrüßt die Reform grundsätzlich. „Die neue EU-Führerscheinrichtlinie bringt deutliche Fortschritte bei der Modernisierung des Fahrerlaubniswesens“, sagte Richard Goebelt, Fachbereichsleiter Fahrzeug und Mobilität beim TÜV-Verband. Besonders positiv bewertet er die Einführung eines einheitlichen digitalen Führerscheins bis 2030. Die Mitgliedstaaten müssten nun jedoch zügig die rechtlichen und technischen Grundlagen schaffen. Deutschland hinke hier mit uneinheitlichen Software-Systemen und fehlenden Schnittstellen noch hinterher.
Auch die EU-weite Einführung des begleiteten Fahrens ab 17 sowie die zweijährige Probezeit für Fahranfänger stoßen beim TÜV auf Zustimmung. Beide Regelungen hätten sich in Deutschland bereits bewährt, so Goebelt. Ebenso positiv sei die stärkere Berücksichtigung neuer Mobilitätsformen und Fahrerassistenzsysteme in Ausbildung und Prüfung.
Kritik übt der Verband hingegen an mehreren Punkten der Reform. So sei die Streichung der ursprünglich geplanten Null-Promillegrenze für Fahranfänger ein „Versäumnis für die Verkehrssicherheit“. Alkohol am Steuer bleibe eines der größten Unfallrisiken.
Zudem sieht der TÜV Gefahren durch die geplante Regelung, 15-Jährigen das Fahren mit leichten Pkw bis 2,5 Tonnen bei Tempo 45 km/h zu erlauben – und das ohne Begleitung. Dies könne ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen.
Als verpasste Chance wertet Goebelt auch das Ausbleiben einer EU-weiten Regelung zu sogenannten Rückmeldefahrten für ältere Fahrerinnen und Fahrer ab 75 Jahren. Diese hätten dazu beitragen können, die Fahrkompetenz im Alter besser zu erhalten, ohne verpflichtende Gesundheitschecks einzuführen.
Umsetzung liegt nun bei den Mitgliedstaaten
Mit dem Beschluss des Parlaments ist der Weg für die Reform geebnet – nun liegt es an den Mitgliedstaaten, die neuen Vorgaben in nationales Recht zu überführen. Das Bundesverkehrsministerium soll die Umsetzung in Deutschland zügig vorantreiben.
Die neuen Regeln sollen europaweit zu mehr Sicherheit, einheitlichen Standards und einer moderneren Fahrerlaubnisverwaltung führen – auch wenn, wie der TÜV anmerkt, bis dahin noch „viel Arbeit auf die Behörden zukommt“.
Quelle: European Parliament / TÜV Verband e.V.
Fotos: Pixabay / Montage: anzeiger24.de
Weitere Nachrichten gibt es unter www.anzeiger24.de und Deutschland-News
Du hast einen Tipp, eine Anregung, zu welchem Thema wir einmal recherchieren sollten?
Schreib uns an [email protected]. Deine Zuschrift wird streng vertraulich behandelt!
Ihr wollt uns Eure Meinung sagen? Gerne per Mail an
oder als Kommentar bei Facebook
unter DeinHilden, DeinLangenfeld, DeinMonheim, DeinHaan oder DerLeverkusener.
Euch hat unser Beitrag gefallen? Dann liked und teilt ihn gerne.