Energiepreisbremse: Zu kompliziert, unrealistisch, unsozial?

Bundesregierung beschließt Kosten-Deckelung für Gas, Wärme und Strom – doch es hagelt Kritik

Im Bundestag haben die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP am Donnerstag, 15. Dezember „grünes Licht“ für die Energiepreisbremsen ab Januar 2023 beschlossen.

Ziel ist es, die steigenden Kosten für Gas, Wärme und Strom für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Unternehmen abzufedern, heißt es im Koalitionsentwurf.

 

Wie soll die Bremse ziehen?

Achtung: Es wird etwas kompliziert und kleinteilig.

Die Preise werden im gesamten Jahr 2023 (ggf. bis April 2024) folgendermaßen gedeckelt: Bei einem Gas- und Wärmeverbrauch bis zu 1,5 Mio. kWh sollen Bürgerinnen und Bürger sowie kleine und mittlere Unternehmen bei 80 Prozent ihres im September 2022 prognostizierten Erdgas-Jahresverbrauchs lediglich 12 Cent je Kilowattstunde zahlen. Bei Wärme sind es 9,5 Cent je Kilowattstunde bei 80 Prozent des Verbrauchs.

 

Industriekunden sollen bei 70 Prozent ihres Erdgas-Jahresverbrauch (2021) nur 7 Cent je Kilowattstunde oder bei 70 Prozent ihres Wärmeverbrauchs zu 7,5 Cent je Kilowattstunde zahlen.

 

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Der Strompreis für private Verbraucher sowie kleine Unternehmen (mit einem bisherigen Stromverbrauch von bis zu 30 000 kWh pro Jahr) wird bei 40 ct/kWh brutto, also inklusive aller Steuern, Abgaben, Umlagen und Netzentgelte, begrenzt. Dies gilt für den Basisbedarf von 80 Prozent des vom Netzbetreiber prognostizierten Jahresverbrauchs. Für mittlere und große Unternehmen (mit einem bisherigen Stromverbrauch von mehr als 30 000 kWh pro Jahr) liegt die Grenze bei 13 Cent zuzüglich Steuern, Abgaben und Umlagen für 70 Prozent des bisherigen Verbrauchs. Auch hier werden analog zur Gaspreisbremse über diese Regelungen klare Einsparanreize gesetzt.

 

Wichtig: Die Entlastungen sollen vom 1. März 2023 bis 30. April 2024 gelten. Im März werden aber rückwirkend die Entlastungsbeträge für Januar und Februar 2023 angerechnet.

 

Und: Trotz Vergünstigungen sollen die Verbraucherinnen und Verbraucher zum Sparen motiviert werden. Denn die Energie ist und bleibt vorerst knapp.

Daher werden die restlichen, nicht subventionierten 20, bzw. 30 Prozent der Verbräuche zum erhöhten Marktwert bepreist werden. Und das könnte auch ganz schön teuer werden. Die Gaspreise sind teilweise um das acht- oder zehnfache gegenüber der Zeit vor dem Ukraine-Krieg angestiegen.

 

Für Haushalte, Unternehmen und Einrichtungen, die durch die steigenden Energiepreise in besonderer Weise betroffen sind (z.B. für Mieterinnen und Mieter, Wohnungsunternehmen, soziale Träger, Kultur und Forschung) soll ein Härtefall-Fonds die Preissteigerungen bei anderen dezentralen Heizmitteln, wie Öl, Pellets oder Flüssiggas begrenzen. Die Länder sollen betroffene Haushalten und Unternehmen Zuschüsse zur Deckung der Heizkosten gewähren können.

 

Zufallsgewinne abschöpfen und Boni und Dividenden verbieten

Die Entlastung durch die Strompreisbremse wird teilweise über die Abschöpfung von Zufallsgewinnen im Strommarkt refinanziert.

Die Ampelkoalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP haben außerdem ein Boni- und Dividendenverbot beschlossen. Demnach soll ein Unternehmen, das eine Entlastungssumme über 25 Millionen Euro bezieht, den Mitgliedern seiner Geschäftsführung sowie Mitgliedern von gesellschaftsrechtlichen Aufsichtsorganen bis zum Ablauf des 31. Dezember 2023 keine Boni oder vergleichbare Vergütungen im Sinn des Paragrafen 87 Absatz 1 Satz 1 des Aktiengesetzes gewähren. Weiterhin dürfen jenen Personen vom 1. Dezember 2022 bis zum 31. Dezember 2023 keine freiwilligen Vergütungen oder Abfindungen gewährt werden, „die rechtlich nicht geboten sind“, wie es in den Änderungsanträgen hieß.

 

Sozialverband: „Bremse lindert keine existentiellen Nöte“

Den Beschluss zu den Energiepreisbremsen kritisiert Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands Deutschland (VdK): „Die Preisbremsen reichen schlicht nicht aus, um die existenzielle Not vieler Menschen zu lindern. Millionen Menschen können es sich nicht leisten, den doppelten Preis für Strom, Gas und Öl zu bezahlen. Sie werden sich am Jobcenter anstellen müssen, um Bürgergeld zu beantragen. Das würde in den Jobcentern allerdings dazu führen, dass der Betrieb zusammenbricht. Die Behörden warnen selbst, dass sie nächstes Jahr durch die hohe Arbeitsbelastung nur noch eingeschränkt handlungsfähig sind. Mitglieder mit Ölheizungen auf dem Land berichten uns, dass sie kein Öl eingekauft haben, weil sie es sich nicht leisten können. Wenn der letzte Rest aufgebraucht ist, sitzen sie im Kalten. Sie brauchen jetzt schnell Hilfe, um überhaupt heizen zu können.“

 

BDI: Regelung unrealistisch – für die Industrie wird es eng

Siegfried Russwurm, Präsident des Deutschen Wirtschaftsverbandes meint: „Als Co-Vorsitzender der Regierungskommission bin ich sehr enttäuscht. Die Politik legt mit ihrer Ignoranz gegenüber den betrieblichen Realitäten die Axt an die Grundpfeiler des Standorts Deutschland an. Vieles, was die Kommission intensiv diskutiert und dann der Bundesregierung empfohlen hat – etwa wenig Bürokratie, zunächst Entlasten und erst hinterher die Prüfung – kommt jetzt anders. Für manche Unternehmen wird es wirklich eng. Unsere Absicht war, den Unternehmen klar zuzusichern, dass sie sich auf den berechneten Preis verlassen können. Diese Zusicherung wird für viele Unternehmen nicht zu halten sein.“

 

Die angepriesenen Entlastungen drohten „zu spät oder gar nicht in energieintensiven Firmen anzukommen“, meint Russwurm: „Die Gaspreisbremse, die für große Industrieverbraucher ab Januar greifen soll, ist jetzt leider viel zu bürokratisch angelegt. Die Preisbremse hat inzwischen so viele restriktive Randbedingungen, dass sie für eine ganze Reihe von Firmen wohl nicht funktionieren wird. Zentrale Teile der deutschen Industrie, insbesondere der Grundstoffindustrie, sind wegen nationaler und europäischer Einschränkungen von der politisch gewollten Dämpfung der hohen Energiepreise de facto ausgeschlossen – mit allen negativen Folgen für ihre Wettbewerbsfähigkeit. Damit wird der eigentliche politische Zweck der Preisbremsen ad absurdum geführt.“

 

Wegen der strengen EU-Vorgaben müsse ein Unternehmen, das von der Bremse profitieren will, „schon vorher wissen, ob sein Gewinn im kommenden Jahr um mindestens 40 Prozent zurückgeht“, so Russwurm. „Das ist unrealistisch. Außerdem ist die Begrenzung auf maximal 150 Millionen Euro Subvention bei Strom und Gas für etliche Unternehmen schnell erreicht, sodass sehr energieintensiven Branchen nicht geholfen ist.“

 

Besonders enttäuscht sei die Industrie über die Bundestagsentscheidung eines Dividenden-Verbots: „In vielen Familienunternehmen ist die Dividende der Hauptbestandteil des Familieneinkommens und erfüllt dort dieselbe Funktion wie das Gehalt der Beschäftigten im Unternehmen. Variable Einkommensbestandteile sind keine Geschenke, sondern leistungsabhängige Komponenten des regulären Gehalts.“

 

Zusammenstellung: Achim Kaemmerer
Quellen: Bundestag/Bundeswirtschaftsministerium/BDI/VdK
Fotos: Pixabay / Collage: anzeiger24.de

 

 


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