Druck auf Wirtschaftsministerium: Patrick Graichen muss nun doch gehen

17.05.2023

Nach Vorwürfen der Vetternwirtschaft: Umstrittener Staatssekretär nicht mehr zu halten

Angezählt war er ja bereits in den vergangenen Wochen. Doch auch der Rückhalt seines Chefs hat dem umstrittenen Staatssekretär Dr. Patrick Graichen nicht mehr geholfen. Der öffentliche Druck wurde dadurch sogar noch größer. Nun zog Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Reißleine – für manche wohl zu spät: Graichen muss seinen Posten räumen – und soll in den „einstweiligen Ruhestand“ versetzt werden.

 

 

Verwandtschaftliche Verflechtungen zu Öko-Institut und BUND Landesverband  

Der „Fachmann“ für Energieangelegenheiten stand wochenlang wegen Kungelei und „Vetternwirtschaft“ in der „Schusslinie“ seiner Kritiker. So soll er mit dazu beigetragen haben, dass sein Trauzeuge, der Grünen-Politiker Michael Schäfer, bei der Neubesetzung zum Vorsitzenden der Geschäftsführung bei der Deutschen Energie-Agentur (dena) bevorzugt wurde.
Nach Bekanntwerden der privaten Verbindung zwischen Schäfer und Graichen entschied der Aufsichtsrat der Dena, die Stelle neu auszuschreiben.

 

Außerdem gibt es weitere enge verwandtschaftliche Verflechtungen: Graichens Schwager Michael Kellner wurde ebenfalls zum parlamentarischen Staatssekretär ernannt. Dessen Ehefrau wiederum, Verena Graichen, arbeitet wie ihr Bruder Jakob Graichen beim Freiburger "Öko-Institut", welches das Wirtschaftsministerium in Energiewende-Fragen berät.

 

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Minister Habeck hat die Trauzeugen-Konstellation schlimmstenfalls als „Fehler“ bezeichnet, wollte aber an Graichen weiterhin festhalten. Er wolle lediglich ein beamtenrechtliches Disziplinarverfahren gegen Graichen „prüfen“, weitere Konsequenzen aber nicht ziehen. Das war vor etwa einer Woche.
Inzwischen habe es aber weitere interne Prüfungen gegeben, die einige „Ungereimtheiten“ ans Licht brachten.

  

Interne Prüfungen

Zwar habe es "nicht mehr Aufträge und Zuwendungen" an das Freiburger Öko-Institut gegeben als in den Vorjahren, bzw. bei der Vorgänger-Regierung.

Nach weiteren Nachfragen allerdings sei ein Sachverhalt entdeckt worden, der den Stein des Anstoßes für die Freistellung ins Rollen brachte:
Im November 2022 soll Patrick Graichen eine Liste mit drei Projekt-Skizzen gebilligt haben, eine davon stamme vom BUND Landesverband Berlin – Fördersumme ca. 600.000 Euro.

Das Geld sei noch nicht geflossen, das Projekt aber als „förderwürdig“ eingestuft worden, eine finale Förderentscheidung wäre „reine Formsache“ gewesen.

Die Schwester von Patrick Graichen ist Vorstandsmitglied des BUND Landesverbandes Berlin, war bis Mai 2022 sogar Vorsitzende. Das sei als „Compliance Verstoß“ zu werten, so Habeck: „Diese Vorlage hätte Graichen nicht abzeichnen dürfen. Es muss allein der Anschein der Parteilichkeit vermieden werden“.

 

Auch in der Expertenkommission zum Energiewende-Monitoring soll es Klüngel bei der Besetzung gegeben haben: Dr. Felix Christian Matthes, Forschungskoordinator Energie- und Klimapolitik beim besagten Öko-Institut, soll hier bevorzugt worden sein.

 

"Risse in Compliance-Brandmauer" 

Die Fehler seien „unterschiedlich gravierend“ und würden allein für sich einen Rücktritt rechtfertigen, so Habeck. In der „Gesamtschau“ aber sei es nun insgesamt notwendig. Es war „ein Fehler zuviel“.

„Ich habe mich hinter Graichen gestellt. Menschen machen Fehler. Aber um den einen schweren Fehler zu verteidigen, muss ich sicher sein, dass die Compliance-Brandmauer, die wegen der Verwandtschaftsverhältnisse gezogen wurden, keine Risse hat. Diese Risse gibt es nun“, so Habeck.
Graichen habe sich „zu angreifbar“ gemacht. Daher habe er sich mit Graichen auf den Rückzug geeinigt. Dies muss allerdings der Bundespräsident noch bestätigen.

 

Trotz allem habe Graichen „große Leistungen“ vollbracht, beispielsweise „eine Gasmangellage verhindert“, eine „Wirtschaftskrise abgewendet“ und die „Energiewende flott gemacht“.

 

Ein Nachfolge solle „zügig“ bestellt werden.

 

Bericht: Achim Kaemmerer

 


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