Corona-Studie: 'Kita-Schließungen waren nicht nötig und medizinisch nicht angemessen'

Aber auch psychische Belastungen sind nun wissenschaftlich belegt

Hinterher ist man immer klüger. Und manche Menschen wollen es bereits vorher gewusst haben: „Kita-Kinder sind keine Infektionstreiber während der Corona-Pandemie.“ Und: „Das Schließen von Kitas war und ist nicht notwendig und medizinisch nicht angemessen.“ Das sind zwei besondere Erkenntnisse aus einer Corona-Kita-Studie, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) am Mittwoch, 2. November, vorstellten.

 

Unter anderem erklärte Lauterbach: „Die Übertragungsrate in Kitas lag bei unter zehn Prozent; das ist ein deutlich unterduchschnittlicher Wert. In Kitas konnte sich die Kinder sehr viel weniger anstecken als in den Familien. Die Kinder hatten oftmals asymptomatische Verläufe, waren also nicht besonders gefährdet. Langfristige Schäden waren die Ausnahmen.“

 

 

Die Studie beschäftigte sich mit den Herausforderungen und der Bewältigung der Kindertagesbetreuung unter Corona-Bedingungen sowie der Frage, welche Rolle (Kita-)Kinder bei der weiteren Ausbreitung von SARS-CoV-2 spielen. Die Studie wurde bereits im Mai 2020 unter Leitung des Deutschen Jugendinstituts (DJI) und des Robert Koch-Instituts (RKI) gestartet.

 

Im Winter sind Hygienemaßnahmen weiterhin notwendig 

Allerdings gibt es noch eine weitere Erkenntnis: "Die Studie zeigt auch, dass die konsequente Umsetzung bestimmter Schutz- und Hygienemaßnahmen wie das Tragen von Masken oder die Unterteilung in kleine Gruppen mehr Sicherheit schaffen kann." Das gelte vor allem im kommenden Winter. "Allerdings sind die Maßnahmen zum Teil sehr personalintensiv und können die pädagogische Arbeit einschränken. Deshalb raten die Autorinnen und Autoren zu einer sorgfältigen Abwägung."

 

Stress, Nervosität, Angst in den Familien

Klar ist auch: „Insbesondere lockdownbedingte KiTa-Schließungen führten zeitweise zu einem erhöhten allgemeinen Stresserleben der Eltern und einer erhöhten Belastung durch die Betreuung der eigenen Kinder. (…) Zudem wird deutlich, dass Familien ihre Kontakte während der Schließungsphasen stark eingeschränkt haben. (…) Auch organisierte Treffen, z.B. Eltern-Kind-Gruppen oder Vereinsaktivitäten waren aber lange Zeit eingeschränkt. Etwa jede zehnte Familie hat im letzten Jahr psychologische Beratung für einen oder beide Elternteile in Anspruch genommen, was darauf hinweist, dass bei einzelnen Eltern ernstzunehmende Belastungen vorlagen. (…) Ein hoher Anteil der befragten Kita-Eltern litt während der Quarantäne an Nervosität, Ängstlichkeit und Anspannung. Auch Probleme beim Ein- oder Durchschlafen wurden häufig berichtet.“

 

Und was ist nun daraus zu folgern?

Das Fazit der Autorengruppe: „Es deutet sich an, dass Eltern auch nach den lockdownbedingten Schließungsphasen (…) an bestimmten Modalitäten des Arbeitens festhalten (müssen). Auch hier deutet sich an, dass Familien noch nicht zur vorpandemischen Situation zurückgekehrt sind. Hier wird zu beobachten sein, wie sich die Organisation von Vereinbarkeit und Beruf bzw. deren Machbarkeit und Folgen für das Belastungserleben von Familien weiter entwickeln wird. (…) Da es Hinweise darauf gibt, dass das Familienleben durch viele unterschiedliche Aspekte auch weiterhin eingeschränkt oder mit Belastungen für Eltern verbunden ist, wird zu beobachten sein, welche langfristigen Folgen dies beispielsweise für das Wohlbefinden und die Gesundheit von Eltern und Kindern oder die Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit zwischen Eltern mit sich bringt.“

 

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Bundesjugendministerin Paus ergänzte: „Kinder haben in der Pandemie bereits erheblich gelitten – oft weniger am Virus selbst als an den Folgen der Eindämmungsmaßnahmen. Besonders erschreckt mich, dass ausgerechnet sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche besonders stark betroffen sind und so viele Kinder und Jugendliche psychische Belastungen zeigen. Gerade die Kinder, die am dringendsten Zugang zu früher Bildung und Förderung benötigen, unterlagen oft den stärksten Einschränkungen. In Zukunft muss das Kindeswohl unbedingt an oberster Stelle stehen. Hier geht es um die Entwicklungschancen von Kindern und Jugendlichen und um Chancengerechtigkeit in unserem Land.“

Es gebe nun einen „gestiegenen Förderbedarf bei der sprachlichen, motorischen und sozial-emotionalen Entwicklung“, heißt es weiter.

 

Im Bundesprogramm "Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche" werden den Ländern Mittel für Sport und Freizeitangebote, für frühkindliche Bildung, Jugend- und Sozialarbeit sowie psychosozialer Unterstützung bereitgestellt, erklärte Bundesministerin Paus.

 

Weitere Infos

Abschlussbericht der Corona-Kita-Studie

Zentrale Studienergebnisse

Frühere Studienergebnisse

 

Jetzt wäre es natürlich auch interessant zu wissen, ob es ähnliche Studien und Erkenntnisse auch zu den Schulschließungen gibt.

 

Hätte man es nun besser wissen können?

Nun, es war eine neue, ungewohnte Situation für alle: Familien, Kita-Personal und Politik. Es gab zunächst wenig verlässliche Erkenntnisse und damit auch ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Und auch wenn Kinder nicht so anfällig auf eine Covid 19-Infektion reagieren (und diese Theorie kursierte ja bereits sehr früh), so konnten sie trotzdem das Virus in ihre Familien hinein tragen. Es war auch bestimmt keine leichtfertige Entscheidung.

 

Dass Kita-Schließungen zu sozialen Verwerfungen und psychischen Störungen führt, das dürfte aber direkt allen Beteiligten klar gewesen sein. Dafür hätte es sicherlich keiner Studie bedürft.

 

Zumindest haben Eltern und ihre Kinder erst einmal die Gewissheit, dass im kommenden Winter keine Kitas mehr geschlossen werden dürften – sofern die Hygienemaßnahmen eingehalten werden.
An den Nachwirkungen der Lockdowns werden sie aber noch lange zu knabbern haben…

 

Bericht: Achim Kaemmerer

 


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