49-Euro-Ticket: Warum ist die Einführung so schwierig?

Tarifbestimmungen, Software, Kontrollierbarkeit, EU-Zustimmung – es gibt noch viel zu klären

Ein deutschlandweit gültiges Ticket zum Einheitspreis – kein Tarifdschungel, kein Wirrwarr beim Preis-Waben-System und obendrein relativ günstig: Viele Menschen freuen sich auf das (monatliche) 49-Euro-Ticket – auch wenn das 9-Euro-Ticket natürlich noch attraktiver war.

Doch die Einführung zieht sich. Vor dem Frühjahr wird das wohl nichts. Politik, Verwaltungen und die Verkehrsunternehmen haben noch viel zu besprechen.

 

Warum eigentlich, haben wir uns gefragt – Was ist daran so schwer, einen „simplen“ Fahrschein in das System einzubinden?

 

Wir haben beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VDV) in Berlin nachgefragt.

 

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Woran hapert es?

In der aktuellen Ausgabe des VDV Magazins benennt der Verbund bereits einige Probleme, die es zu lösen gilt:

  • Tarifbestimmungen in regionalen Strukturen
  • Auswirkungen auf bisherige Produkte
  • Ausgabe des Tickets in digitaler und Papierform
  • bundesweite Kontrollierbarkeit
  • Hard- und Softwareumstellung
  • sachgerechte Verteilung der Einnahmen
  • Anpassung der Regionalisierungsgesetze
  • Zustimmung der Europäischen Union
  • Genehmigung der Tarife von zahlreichen Behörden vor Ort

 

Das wollten wir nun genauer wissen:

 

Das 49 Euro-Ticket ist die wohl einfachste Form, einen Fahrschein zu ziehen. Welche „regionalen Strukturen“ sind da noch zu klären?

VDV-Pressesprecher Lars Wagner antwortet uns: Auch ein bundesweites Ticket braucht Tarifbestimmungen. Und diese müssen bundesweit einheitlich sein. Bislang gelten in den Regionen unterschiedliche Tarifbestimmungen, z. B. bzgl. Fahrrad- oder Personenmitnahme. Es ist nun auf politischer Ebene zwischen den Ländern und dem Bund zu klären, welche Tarifbestimmungen als Grundlage für das bundesweite Ticket gelten sollen.

 

Außerdem müssen bundesweit die Einnahmen aus dem Ticket erfasst und verteilt werden.

Beispiel: Wenn man sein Ticket z.B. in Berlin bei der BVG kauft, damit aber an der Ostsee im Urlaub den dortigen ÖPNV nutzt, dann müssen die ÖPNV-Unternehmen dort auch einen Teil der 49 Euro bekommen, die die BVG mit dem Ticket eingenommen hat.

 

Welche „Auswirkungen auf bisherige Produkte“ befürchten Sie?

Das Deutschlandticket wird vor allem im Abo-Bereich für deutliche Einnahmeverluste sorgen. Inwieweit die Bartickets davon betroffen sein werden, wird man sehen. Das ist aus jetziger Sicht noch nicht final abschätzbar.

 

Jedes Ticket ist prinzipiell in Papierform erhältlich (wie beim 9-Euro-Ticket). Warum erweist es sich als so schwierig, ein 49-Euro-Ticket zum Ausdrucken zu kreieren und in den Verkauf zu bringen?

Das erweist sich aus Sicht der Branche nicht als schwierig. Es ist nur politisch, vor allem seitens des BMDV (Bundesministerium für Digitales und Verkehr), nicht gewünscht.

Das Deutschland-Ticket soll digital verkauft werden. Nach unserer Meinung muss es jedoch auch für analoge Vertriebswege mindestens noch eine Übergangszeit geben. Auch dies muss abschließend politisch zwischen Bund und Ländern geklärt werden.

 

Warum gestaltet es sich so schwierig, zusätzlich zu den bereits bestehenden Tickets das (einfache) 49-Euro-Ticket als weiteres Produkt in Apps oder Ticketautomaten zu installieren?

Bei der Softwareumstellung geht es nicht in erster Linie darum, nur das neue Ticket in eine App zu integrieren.

Viel aufwändiger sind die nötigen Anpassungen und Harmonisierungen der elektronischen Hintergrundsysteme, die z. B. für eine bundesweite Kontrollierbarkeit der Tickets sorgen.

Zudem müssen die vorhandenen Systeme, die die Unternehmen z.B. zur Bearbeitung ihrer Stammkunden nutzen, angepasst, ausgebaut oder zum Teil völlig neu programmiert werden.

 

Warum erweist es sich als schwierig, ein einfaches Ticket herauszubringen, das auch bei Kontrollen akzeptiert wird?

Es gibt bisher keinen bundesweit einheitlichen Kontrollstandard von ÖPNV-Tickets, sondern verschiedene technische Lösungen.

Diese müssen harmonisiert und auf einen gemeinsamen Standard gebracht werden.

 

Wieso müssen die Europäische Union und die „zahlreichen Behörden vor Ort“ einer Einführung zustimmen? Warum reicht ein Beschluss der Bundesregierung nicht aus?

Die EU-Kommission muss die Ausgleichszahlungen der Bundesregierung, die ja die Einnahmeverluste ausgleicht, beihilferechtlich prüfen und freigeben.

Und der ÖPNV in Deutschland liegt gesetzlich betrachtet in der Hoheit der Länder, die diese Aufgabe zudem zum Teil auf die Kommunen übertragen haben. Jeder wesentlichen Änderung des ÖPNV-Angebots vor Ort, und dazu gehört natürlich der Tarif, müssen daher die zuständigen politischen Institutionen formal zustimmen.

 

Welche anderen Hürden gibt es aus Ihrer Sicht außerdem noch?

Ein ganz wichtiger Punkt, der bislang im zeitlichen Ablauf etwas unterschätzt wird, ist die rechtzeitige und umfassende Information unserer Fahrgäste: Mit Einführung des Tickets bzw. mit der Umstellung bestehender Abos werden die Kundinnen und Kunden ein erhöhtes Informationsinteresse haben. Die Kundeninformation muss also rechtzeitig, wir denken mindestens vier Wochen vor Einführung des Tickets, beginnen und dann in mehreren Wellen und mit entsprechenden personellen Ressourcen abgewickelt werden.

 

Es zeigt sich also: in Deutschland kann nichts "einfach" umgesetzt werden...

Bericht: Achim Kaemmerer
Foto: W.Eckert/G. Jing / Pixabay / Collage: anzeiger24.de

 


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