Tarifstreit bei der Bahn: So viel sollen die Beschäftigten nun bekommen

Schlichtungsempfehlung – Akzeptiert die EVG das Ergebnis? Sonst droht wieder Streik

Ist nun der Tarifkonflikt zwischen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und der Deutschen Bahn (DB) endlich gelöst? Erst der Einsatz der Schlichter Prof. Dr. Heide Pfarr (für EVG) und Dr. Thomas de Maizière (für DB) war notwendig, um eine Einigung zu erzielen.

 

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Am Mittwochabend, 26. Juli 2023, präsentierten die Verhandlungsführerinnen und -führer ein Ergebnis, mit dem offenbar beide Seiten leben können:

  • Inflationsausgleichsprämie: 2.850 Euro brutto gleich netto, Auszahlung im Oktober 2023
  • Lohnerhöhung: Festbetrag von 410 Euro mehr im Monat in zwei Schritten, 200 Euro zum Dezember 2023 und 210 Euro zum August 2024
  • Verschiedene Funktionsgruppen / Berufsgruppen erhalten durchschnittlich weitere 100 Euro monatlich.
  • Laufzeit: 25 Monate (1. März 2023 bis 31. März 2025) statt 27 Monate

 

Der Tarifabschluss soll für rund 180.000 Mitarbeitende in rund 500 verschiedenen Berufen gelten. Alle Berufsgruppen sind im Tarifabschluss einbezogen. Es soll auch keine Unterschiede mehr zwischen Beschäftigten aus Ost und West geben. Für einige Dienstleistungsgesellschaften wurden differenzierte Lösungen gefunden.

 

Einige weitere Vereinbarungen

  • Neues flexibles Arbeitszeitmodell bei DB Cargo: Lokführerinnen und Lokführer können auf freiwilliger Basis längere Strecken, auch mit Übernachtung, fahren und erhalten dafür entsprechende Zulagen
  • Auflösung regionaler Lohnunterschiede bei Dienstleistungsgesellschaften (z.B. DB Services, DB Sicherheit, DB Fahrwegdienste)
  • Lohnuntergrenze von 13,50 Euro in allen Entgelttabellen (plus Zulagen und betriebliche Altersvorsorge)
  • Für Azubis und Dual Studierende: Inflationsausgleichsprämie von 1.425 Euro, hälftige Lohnerhöhung in zwei Schritten, Erhöhung Mietkostenzuschuss und Prüfungsbonus, Verbesserung Prüfungsfreistellung

 

Was bedeutet das konkret? Einige Beispiele

Die EVG rechnet vor:

  • bis zu 900 Euro mehr für Fahrdienstleiterinnen und -leiter (ca. 30 Prozent Lohnplus)
  • bis zu 840 Euro mehr für Zugbegleiterinnen und -begleiter (ca. 22 Prozent Lohnplus)
  • bis zu 860 Euro mehr für Werkstattmitarbeiterinnen und -arbeiter sowie Instandhalterinnen und Instandhalter (ca. 24 Prozent Lohnplus)

 

Wie geht es nun weiter?

Die Einigung bedeutet noch nicht, dass der Beschluss sofort umgesetzt wird.

Am Freitag, 28. Juli 2023, berät der EVG-Bundesvorstand zur Schlichtungsschlussempfehlung. Das letzte Wort haben die EVG-Mitglieder in der Urabstimmung. Bis zum 28. August 2023 müssen sie sich entscheiden, ob sie die Schlichtungsschlussempfehlungen akzeptieren. Ein Tarifabschluss könnte dann vorliegen.

 

Ansonsten droht wieder ein unbefristeter Streik, sagt die EVG.

 

DB: „Bis zur Grenze des absolut Machbaren gegangen“

So viel Geld für so viele Beschäftigte? Da muss die Arbeitgeberseite sicherlich ganz schön tief in die Kasse greifen. Andererseits: Die Jobs bei der Bahn sind größtenteils anspruchsvoll und werden relativ niedrig entlohnt. Das macht die Jobbeschreibung nicht wirklich attraktiv.

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links: EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch / rechts: DB-Personalvorstand Martin Seiler
Pressefotos: EVG/DB

 

DB-Personalvorstand Martin Seiler erklärt daher zum Schlichtungsspruch: „Wir sind damit an die absolute Grenze des wirtschaftlich Machbaren gegangen.“

Was bedeutet das konkret?  

Wir haben nachgefragt: Wie hoch könnten die Mehrkosten für die Deutsche Bahn ausfallen? Und müssen Fahrgäste nun auch mit Preiserhöhungen rechnen?

Eine Bahnsprecherin erklärt uns daraufhin: "Die genannten Belastungen durch einen Tarifabschluss müssen wir schultern. Jetzt ist aber nicht die richtige Zeit für Preisspekulationen."

 

Aber andererseits: Die Laufzeit von 25 Monaten bis Ende März 2025 schaffe „viel Planungssicherheit fürs Unternehmen“. Gleichzeitig beinhalte die Empfehlung zahlreiche Beiträge zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und erhalte dadurch die Zukunftsfähigkeit der Deutschen Bahn, so Seiler weiter: „Mehr Flexibilität und Produktivität heißt am Ende ganz einfach: mehr Zeit für unsere Kundinnen und Kunden.“

 

EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch: „Das Ergebnis bedeutet für die allergrößte Zahl unserer Mitgliedschaft ein dauerhaftes Lohnplus im zweistelligen Bereich. Das ist eine Erhöhung, die es in dieser Größenordnung in Deutschland seit Jahrzehnten nicht gab – das haben unsere Kolleginnen und Kollegen mehr als verdient.“

 

Bericht: Achim Kaemmerer
Titelfoto: anzeiger24.de / AlexasFotos/Pixabay

 


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