Evangelische Kirche: Ratsvorsitzende Kurschus tritt zurück

20.11.2023

Sie soll sich nicht um den Fall eines „sexuellen Übergriffs“ gekümmert haben

Annette Kurschus ist am 20. November 2023 mit sofortiger Wirkung vom Amt der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zurückgetreten und scheidet aus dem Rat der EKD aus.

 

Die Begründung: Kurschus soll Ende der 1990er Jahre von sexuellen Übergriffen eines Mitarbeiters des Kirchenkreises Siegen erfahren haben. Kurschus sei daraufhin allerdings als zuständige Pfarrerin und spätere Superintendentin nicht tätig geworden, so der Vorwurf.
Die Siegener Zeitung hat über den Fall berichtet, unter Berufung auf eidesstattliche Versicherungen von zwei Zeugen.
Gegenüber dem WDR erklärte ein Redakteur der Zeitung, er habe mit mehreren Betroffenen gesprochen, die von „sexuellen Handlungen“ berichtet hätten. Bei Gesprächen in Kurschus’ Garten sei es damals explizit um sexuelle Verfehlungen gegangen: "Es ist auch die Rede von einem Schüler-Lehrer-Verhältnis, so dass man von einem Machtmissbrauch ausgehen kann", erklärt der Journalist im WDR-Interview.

 

Kurschus dagegen erklärt, es habe „keine Hinweise auf sexualisierte Gewalt“ in dieser Zeit gegeben; es sei lediglich die „sexuelle Orientierung des Beschuldigten thematisiert“ worden.

 

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Kurschuss: „Statt um die Betroffenen und deren Schutz geht es um meine Person“

In ihrem Statement zum Rücktritt sagte sie nun: „Inzwischen hat sich die Lage derart zugespitzt, dass es für mich nur eine Konsequenz gibt, um Schaden von meiner Kirche abzuwenden: Ich trete von beiden kirchlichen Leitungsämtern zurück“, so Kuschus. „In der Sache bin ich mit mir im Reinen. Ich habe zu jeder Zeit nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Seit mehr als einer Woche wird in der Öffentlichkeit ein Konflikt geschürt. Ein Konflikt zwischen Betroffenen von sexualisierter Gewalt und mir als Amtsträgerin. Diesen Konflikt möchte ich schon deshalb auf keinen Fall austragen, weil das die Erfolge gefährden könnte, die wir in der Aufarbeitung und Bekämpfung sexualisierter Gewalt gemeinsam mit Betroffenen in vielen Jahren errungen haben. Und die es weiterhin zu erringen gilt. Für die Menschen, die hier an der Arbeit sind, stehe ich. Ihnen will ich nicht mit Schlagzeilen durch einen Verbleib im Amt schaden.“

 

Der Verdacht richtet sich gegen einen Mann, mit dessen Familie Kurschuss lange befreundet war: „Nie stand ich zu ihm in einem Dienstverhältnis, auch nicht zu meiner Zeit als Pfarrerin und Superintendentin im Kirchenkreis Siegen. Ich wünschte, ich wäre vor 25 Jahren bereits so aufmerksam, geschult und sensibel für Verhaltensmunster gewesen, die mich heute alarmieren würden. Ich habe allein die Homosexualität und die eheliche Untreue des Beschuldigten wahrgenommen.“

 

 

Sie habe sich bemüht, „Persönlichkeitsrechte zu schützen. Auch beschuldigte Menschen und deren Familien sind und bleiben Personen mit Rechten. Das wird als ‚mangelnde Transparenz‘ kritisiert. Als der Versuch, meine eigene Haut zu retten oder mein kirchliches Amt zu schützen. Das ist umso bitterer, als es mir niemals – und das betone ich ausdrücklich! – niemals darum ging, mich aus der eigenen Verantwortung zu stehlen, wichtige Fakten zurückzuhalten, Sachverhalte zu vertuschen oder gar einen Beschuldigten zu decken.“

 

Inzwischen habe die Frage nach ihrer Glaubwürdigkeit „eine derartige Eigendynamik entfaltet, dass eine absurde und schädliche Verschiebung eingetreten ist: Statt um die Betroffenen und deren Schutz geht es seit Tagen ausschließlich um meine Person. Das muss endlich aufhören. Es zieht die Aufmerksamkeit ab von den Betroffenen und von der Aufklärung des Unrechts, das ihnen angetan wurde. Um diese Aufklärung geht es. Diese Aufklärung gehört in den Fokus.“

 

Quelle: EKD/WDR

Foto: EKD/Jens Schulte

 


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