
Prozess mit Signalwirkung: Datenschutzklage gegen Deutsche Bahn vor Gericht
19.05.2025Verein Digitalcourage will juristisch gegen "Digitalzwang" bei der DB-App vorgehen
Am Landgericht Frankfurt hat ein Prozess begonnen, der grundlegende Fragen zum Datenschutz im digitalen Alltag aufwirft. Der Bielefelder Verein Digitalcourage wirft der Deutschen Bahn vor, in ihrer App DB Navigator personenbezogene Daten ohne wirksame Einwilligung der Nutzerinnen und Nutzer an externe Dienstleister weiterzugeben. Der Konzern weist die Vorwürfe entschieden zurück. Im Kern geht es um die Frage, wie viel digitale Transparenz und Kontrolle Nutzer:innen über ihre Daten im öffentlichen Raum erwarten dürfen – und müssen.
Die Klage: Unbemerktes Tracking trotz "notwendiger Cookies"?
Digitalcourage stützt seine Klage auf eine technische Analyse des IT-Sicherheitsforschers Mike Kuketz, der bereits 2022 schwerwiegende Datenschutzmängel im DB Navigator festgestellt hatte. Demnach sendet die App Informationen wie Start- und Zielbahnhof, Reisedatum, Zahl der Mitreisenden oder ob eine BahnCard genutzt wird an bis zu zehn Unternehmen – darunter Adobe, Google oder Optimizely. Und das selbst dann, wenn Nutzer:innen in den Einstellungen ausschließlich „erforderliche Cookies“ zulassen.
Diese Datenübermittlung sei aus Sicht von Digitalcourage weder technisch notwendig noch rechtlich zulässig. Der Verein sieht Verstöße gegen die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG). Der Kläger und Mitgründer des Vereins, padeluun, spricht von einem „Digitalzwang“: „Wer Bahn fahren will, wird zur App gezwungen – und wer die App nutzt, wird ausgespäht.“
Kritik an Verfahrensverlauf
Der Verein wirft der Deutschen Bahn zudem vor, den Beginn der mündlichen Verhandlung jahrelang verzögert zu haben. Nachdem die ursprüngliche Klage 2022 gegen die DB Vertriebs GmbH eingereicht worden war, habe der Konzern kurzerhand den App-Betrieb auf die DB Fernverkehr AG übertragen – eine formale Veränderung, die zu einem Gerichtswechsel und einer Verdopplung des Streitwerts geführt habe. Der beauftragte Jurist Peter Hense, spezialisiert auf IT- und Datenschutzrecht, kritisiert das als „juristische Verzögerungstaktik“.
Die Position der Bahn: „Kritik haltlos“
Die Deutsche Bahn weist die Vorwürfe entschieden zurück. In einer bereits 2022 veröffentlichten Stellungnahme erklärte das Unternehmen, dass keinerlei identifizierbare Kundendaten an Dritte übermittelt würden. Die eingesetzten Dienstleister seien vertraglich strikt gebunden, handelten ausschließlich im Auftrag der Bahn und verwendeten lediglich pseudonymisierte Daten zur Sicherstellung der App-Funktionalität und -Stabilität.
Eine Bahnsprecherin betonte erneut: „Alle Technologieanbieter, die im DB Navigator als ‚erforderlich‘ gelistet sind, verarbeiten Daten ausschließlich zur Funktionssicherung der App – und nicht zu Marketingzwecken. Ein app- oder webseitenübergreifendes Tracking findet nicht statt.“ Zudem stehe man im ständigen Austausch mit Datenschutzbehörden und unabhängigen Experten, auch ein persönliches Gespräch sei Digitalcourage angeboten worden – allerdings ohne Reaktion.
Grundsatzfrage mit gesellschaftlicher Dimension
Die Bedeutung des Verfahrens geht über den konkreten Fall hinaus. Der DB Navigator ist für Millionen Fahrgäste täglicher Begleiter – für Ticketkauf, Verspätungsinfos oder Sitzplatzreservierung. Papier-Tickets spielen kaum noch eine Rolle. Wer die App nicht nutzt, hat bei vielen Services das Nachsehen.
Für Digitalcourage liegt hierin ein demokratisches Problem: Die Bahn sei ein Unternehmen in Staatsbesitz und Teil der öffentlichen Grundversorgung – entsprechend hoch müsse der Anspruch an Datenschutz und Transparenz sein. Eine Nutzung der App ohne umfassende Datenweitergabe müsse möglich sein, fordern die Kläger.
Wie geht es weiter?
Ein Urteil in der Sache wird frühestens in einigen Monaten erwartet. Doch schon jetzt ist klar: Die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt könnte Signalwirkung haben – für andere Mobilitätsanbieter, aber auch für digitale Anwendungen im öffentlichen Raum. Im Mittelpunkt steht eine zentrale Frage: Darf die Nutzung öffentlicher Infrastruktur an das Preisgeben persönlicher Daten geknüpft sein?
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