Film-Verbote am Karfreitag: Ist das überhaupt noch zeitgemäß?

07.04.2023

Was darf wo eigentlich noch gezeigt werden?

In Deutschland gibt es zwar die Trennung von Staat und Religion. Aber an den „Stillen Feiertagen“ (Volkstrauertag, Allerheiligen, Totensonntag, Karfreitag) wird weiterhin nicht gerüttelt.

 

Am 7. April 2023 ist wieder Karfreitag, daher gelten u.a. folgende Regeln:

Verboten sind (Allgemeines Recht, SGV, §6, Beispiel NRW) bis Karsamstag, 6 Uhr, zum Beispiel: Märkte, Sportveranstaltungen, Volksfeste, Unterhaltungs- und Tanzveranstaltungen sowie der Betrieb von Spielhallen und Wettbüros. Bei Rundfunksendungen ist „auf den ernsten Charakter der stillen Feiertage Rücksicht zu nehmen“.

 

Auch bestimmte Filmvorführungen sind untersagt – wieso?

Hinzu kommt aber auch, dass bestimmte Filme im Kino nicht aufgeführt werden dürfen – wenn sie dem „Geist“ des Stillen Feiertages nicht entsprechen.

 

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Wir haben einmal bei der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft GmbH in Wiesbaden nachgefragt, die für die „freiwillige Altersfreigabeprüfungen von Filmen“ und deren öffentliche Vorführungen und Verbreitung entsprechende Vorgaben macht.

Sonn- und Feiertage sind in Deutschland gesetzlich geschützt. Die sogenannten ‚stillen Feiertage‘ genießen dabei einen besonderen Schutz“, sagt uns Geschäftsführer Stefan Linz. Und dazu gehöre eben auch die Vorgabe zu öffentlichen Aufführungen von Filmen, „bei denen der diesen Tagen entsprechende ‚ernste Charakter‘ (die genaue Formulierung differiert in den Ländergesetzen) gewahrt bleibt“.

 

Eine Auflistung der "verbotenen" Spielfilme von 1980 bis 2015 gibt es hier.

Hier einige Titel: Mad Max; Batman hält die Welt in Atem; Die Abenteuer des Rabbi Jacob; Tanz der Vampire; diverse Bud Spencer- und Terence Hill-Klopperfilme; Didi und die Rache der Enterbten bzw. Der Doppelgänger; Blutrausch der Zombies; Schulmädchen‐Report; The Rocky Horror Picture Show; die Eis am Stiel-Reihe; Aliens; Kursaison im Dirndlhöschen; Conan – Der Barbar; Das Ding aus einer anderen Welt; Dirty Harry kommt zurück; die Rambo-Filme; Ghostbusters; Terminator; Rambo; Police Academy; Django; Top Gun; Rififi am Karfreitag; Predator; Robocop; Friedhof der Kuscheltiere; Scream; 28 Days Later; Crank; Hitman: Agent 47.

 

Die Filme ab 2016 hat uns die FSK hinzugefügt. Sie enthält u.a.: Evas Zorn, Atomic Blonde, Kingsman, Rambo: Last Blood oder Hardcore. 

Für aktuelle Filme gilt das offenbar nicht. Denn Streifen wie "Manta, Manta – Zwoter Teil" oder "John Wick 4", die auch nicht gerade dem "ernsten Charakter" des heutigen Karfreitags 2023 entsprechen, können problemlos gezeigt werden. Da fragt man sich natürlich, welchen Sinn diese Regelung für ältere Filme hat, die ohnehin wohl kaum im Kino aufgeführt werden.

 

Stefan Linz ergänzt, die Kinos könnten auch eine Freigabe von Filmen für die gesetzlich geschützten stillen Feiertage prüfen lassen: „Erfolgt keine Prüfung einer Freigabe für die gesetzlich geschützten stillen Feiertage, ist die Vorführung eines Filmes im Kino an den entsprechenden Feiertagen nicht ausgeschlossen. In diesem Falle liegt es in der Verantwortung der Kinoveranstalter*innen, eine entsprechende Einschätzung zu treffen. Kinoveranstalter*innen gehen damit jedoch ein rechtliches Risiko ein.“

 

Außerdem, so erklärt uns Stefan Linz: „Die Liste der Kino-Spielfilme, die von der FSK keine Freigabe für die stillen Feiertage erhielten, ist nicht verbindlich und die Angaben zu einzelnen Titeln teilweise fehlerhaft. Grund dafür ist, dass bei Prüfungen vor 2003 Fehler bei der rückwärtigen Dateneingabe nicht ausgeschlossen werden können.“

 

Zum Beispiel stand „Heidi in den Bergen“ (1975) auf der Liste, was aber „nicht korrekt“ sei: „Da der Film ursprünglich ausschließlich für die Auswertung auf Video zur Prüfung vorgelegt wurde, war eine Freigabe für die stillen Feiertage nicht beantragt, sodass keine Entscheidung darüber getroffen wurde. In anderen Fällen kann es sein, dass ein Film ursprünglich nicht feiertagsfrei gegeben wurde, er nach einer Wiedervorlage bei der FSK eine Feiertagsfreigabe erhalten hat.“

Etwa der Klassiker „Die Feuerzangenbowle“ oder das Disney-Kindermusical „Mary Poppins“.

 

Kein „Verbot“ im TV

Zudem räumt Stefan Linz mit einem Irrtum auf: Die Vorführung von „verbotenen Filmen“ gilt nicht für „den Online-Bereich, die Ausstrahlung im Fernsehen oder den Verkauf bzw. Verleih von DVD/Blu-ray. Die Regelungen in den Landesgesetzen gehen zurück auf Bestimmungen aus der Weimarer Republik, stammen also aus einer Zeit, als Filme ausschließlich im Kino vertrieben wurden. Auf die entstehenden ‚neuen‘ medialen Vertriebswege wurde die existierende Regulierung nicht übertragen.“

 

Wir haben uns einmal angeschaut, welche Filme die Sender am Karfreitag ausstrahlen. z.B.: "Vier Fäuste für ein Halleluja" (Kabel1); "The Fast and the Furios Tokyo Drift" (RTL2); "Assassin's Creed" (Pro7); div. Edgar-Wallace-Filme (ZDF neo); "Ghostbusters (2016)" (Vox).

Auch diese Filme passen nicht unbedingt zu einem "stillen Feiertag", dürfen aber eben trotzdem im TV gezeigt werden.

 

Soll man nicht einfach gucken dürfen, was man will?

Es gibt auch reichlich Kritik an dieser Regelung. Schließlich sind immer mehr Menschen nicht religiös, bzw. nicht mehr Teil der christlichen Kirchenkultur.

Ist diese gesetzliche Regelung also überhaupt noch zeitgemäß? Soll man nicht einfach das gucken können, was man will – auch am Karfreitag? Und wer es aus religiösen Gründen nicht möchte, lässt es einfach?

 

Auch dazu erklärt uns Stefan Linz: „Die Häufigkeit der Ablehnung einer Freigabe für die stillen Feiertagen hat in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen. Dieser Sachverhalt ist auch Ausdruck einer Veränderung von gesellschaftlichen Wert- und Normvorstellungen hinsichtlich des Medienkonsums an den gesetzlich geschützten stillen Feiertagen. Einen Einfluss auf diese Entwicklung hat sicherlich auch die enorme Vervielfältigung der Zugangsmöglichkeiten zu filmischen Inhalten. Während in den 50er Jahren neben dem Kino als Ort der öffentlichen Vorführung lediglich der öffentlich-rechtliche Rundfunk Filme zugänglich machte, steht Interessierten heute eine ganze Palette von Kanälen – von Video-On-Demand-Angeboten über TV bis hin zu Bildträgern – für den Filmkonsum zur Verfügung. Das Kino ist von all diesen Zugangswegen der Einzige, der einer gesetzlichen Regulierung an den stillen Feiertagen unterliegt. Sicherlich diskussionswürdig ist, inwieweit diese Regelung insgesamt noch als zeitgemäß empfunden wird. Hier wären ein gesellschaftlicher Diskurs und der Gesetzgeber gefragt.“

 

Bericht: Achim Kaemmerer
Fotos: Bru-nO/congerdesign / Pixabay / Collage: anzeiger24.de

 


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