
Bayerischer Gerichtshof: Kruzifix in Schule muss weg – Gymnasium verstieß gegen Grundrechte
09.07.2025Urteil: Religiöse Symbole dürfen keine Pflichtbegegnung sein – Religionsfreiheit von zwei Schülerinnen verletzt
München – Das Anbringen eines Kruzifixes im Eingangsbereich eines staatlichen Gymnasiums in Bayern verstößt gegen die im Grundgesetz garantierte negative Glaubensfreiheit. Das entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) in München am Dienstag, 8. Juli 2025, in einem Grundsatzurteil (Az. 7 BV 21.336). Die Schule hätte das religiöse Symbol auf Antrag zweier Schülerinnen entfernen müssen.
Die Klägerinnen, die das Gymnasium mittlerweile mit dem Abitur verlassen haben, hatten sich während ihrer Schulzeit gegen das rund 1,5 Meter hohe Holzkreuz mit figürlicher Christusdarstellung gewehrt, das an einem Stützpfeiler im Haupteingangsbereich der Schule angebracht war – unübersehbar und für alle Schüler:innen täglich passierbar.
Der Verwaltungsgerichtshof stellte fest, dass die Konfrontation mit dem groß dimensionierten Kruzifix einen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte negative Glaubensfreiheit darstellt. Aufgrund der Schulpflicht sei der Kontakt mit dem religiösen Symbol nicht freiwillig und aufgrund seiner exponierten Position auch nicht zumutbar zu umgehen gewesen. Die Schule habe das Symbol trotz ausdrücklichen Antrags nicht entfernt – ein klarer Verstoß gegen die Grundrechte, so die Richter.
Keine gesetzliche Grundlage für Kruzifixe an Gymnasien
Ob das Kruzifix durch ein Gesetz des Bayerischen Landtags hätte legitimiert werden können, ließ das Gericht offen. Entscheidend sei, dass es für Gymnasien derzeit weder eine gesetzliche Regelung zum Anbringen von Kreuzen noch von Kruzifixen gibt – anders als etwa an Grundschulen, wo entsprechende Bestimmungen existieren. Damit fehle der Schule im konkreten Fall bereits die rechtliche Grundlage für das Kreuz im Eingangsbereich.
Alternativunterricht statt Gottesdienst: rechtmäßig
In einem zweiten Punkt der Klage entschieden die Richter hingegen zugunsten der Schule. Die Pflicht zur Teilnahme am sogenannten Alternativunterricht – einer ethisch ausgerichteten Unterrichtsveranstaltung für Nichtteilnehmende an den dreimal jährlich stattfindenden Schulgottesdiensten – sei rechtmäßig. Zwar sei die Teilnahme an religiösen Feiern freiwillig, doch dies entbinde nicht von schulischer Anwesenheitspflicht. Eine Freistellung vom Unterricht könne daraus nicht abgeleitet werden. Der Alternativunterricht diene vielmehr der Gleichbehandlung aller Schülerinnen und Schüler.
Politische Reaktionen: CSU verteidigt das Kreuz
Kritik an dem Urteil kam aus der Politik. Klaus Holetschek, Vorsitzender der CSU-Landtagsfraktion, erklärte: „Gerichtliche Entscheidungen sind zu respektieren – das gilt selbstverständlich auch in diesem Fall. Dennoch bedauere ich die Entscheidung.“ Das Kreuz stehe nicht nur für den christlichen Glauben, sondern auch für Werte wie Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Verantwortung füreinander.
Holetschek betonte zugleich, dass die Grundsatzentscheidung der Bayerischen Staatsregierung zur Anbringung von Kreuzen in staatlichen Gebäuden durch das Urteil nicht infrage gestellt werde. Der Verwaltungsgerichtshof habe die besondere Situation im konkreten Fall betont – insbesondere die exponierte Platzierung und figürliche Gestaltung des Kruzifixes.
Kruzifix-Streit mit Signalwirkung
Die Entscheidung könnte dennoch über den Einzelfall hinaus Signalwirkung entfalten – etwa für Schulen mit ähnlicher Praxis oder in Bundesländern mit vergleichbarer Regelungslage. Das Urteil greift die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum sogenannten „Kruzifix-Beschluss“ von 1995 auf und stärkt erneut die individuelle Religionsfreiheit gegenüber religiöser Symbolik im öffentlichen Raum.
Ob gegen die Entscheidung des BayVGH noch Rechtsmittel eingelegt werden, ist offen. Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beim Bundesverwaltungsgericht ist binnen eines Monats möglich.
Quelle: VGH Bayern / CSU
bearb. KA
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