Bürgerrat: Was tun gegen Ungerechtigkeit im Bildungssystem?

10.07.2023

Vorschläge an die Präsidentin der Kultusministerkonferenz überreicht

Bevor es auch für die letzten Bundesländer in die Sommerferien 2023 geht, werden die Leistungen der Kinder und Jugendlichen obligatorisch noch einmal bewertet. „Nicht für alle ist das ein Grund zur Freude. Doch wäre es unter den gegebenen Umständen nicht fair, auch dem Schuljahr selbst ein Zeugnis auszustellen?“, fragt der bundesweit aktive Bürgerrat „Bildung und Lernen“, der am 10. Juli 2023 in Berlin seine Studie „K/eine Chance – Vorschläge für eine gerechte Bildung" veröffentlicht und bei der Kultusministerkonferenz (KMK) an die Präsidentin und Berliner Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (Foto 4.v.l.) übergeben hat.

Das Gremium besteht aus rund 300 Menschen aus ganz Deutschland, die zwölf Monaten lang kontrovers über das Thema „Chancengleichheit“ diskutiert haben.

 

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Der gravierende Lehrkräftemangel im ganzen Land, die Folgen der Corona-Pandemie sind ein Dauerthema. „Studien belegen, dass diese Probleme vor allem denen zusetzen, die in ihrem Alltag ohnehin mit schwierigen Bedingungen zu kämpfen haben: Kinder, die in Familien mit wenig Geld aufwachsen und die in Sachen Bildung von zuhause quasi keine Förderung zu erwarten haben“, heißt es in einer Presseerklärung des Bürgerrates. „Von der oft beschworenen Chancengleichheit haben sie in ihrem Leben noch nichts mitbekommen. Und eine Besserung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Nachweislich geht die soziale Schere bei der Bildung immer weiter auseinander.“

 

Frühe und individuelle Förderung von der Kita bis zur Berufsbildung

Bei seiner Arbeit an den Empfehlungen hat sich der Bürgerrat Bildung und Lernen auf drei Bereiche konzentriert. Einig war sich das Gremium, dass insbesondere benachteiligte Kinder schon früh und individuell gefördert werden müssen. Aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger sollte es eine „Offensive für frühkindliche Bildung mit mehr Kita-Plätzen, mehr Fachkräften und mit kleineren Kindergruppen“ geben, so eine von 15 Empfehlungen.

„Sehr große Zustimmung erfuhr der Vorschlag, eine verbindliche Förderung der Sprachkompetenz in Kindertagesstätten sicherzustellen“, heißt es weiter. Eine Ausweitung des Fachpersonals sei insbesondere auch an den allgemeinbildenden Schulen dringend erforderlich. Um Chancengleichheit zu ermöglichen, müsse eine kontinuierliche Betreuung durch multiprofessionelle, vielseitige Teams sichergestellt sein.

 

Längeres gemeinsames Lernen bis zur Stufe 10

Viel diskutiert wurde im Gremium darüber, dass Kinder in der Schule länger gemeinsam lernen sollten. Aktuell ist der Regelfall, dass sie nach der 4. Klasse eine weiterführende Schule besuchen (in Berlin findet dieser Wechsel nach der 6. Klasse statt). Eine klare Mehrheit von 62% im Bürgerrat sprach sich dafür aus, dass Kinder und Jugendliche künftig in der Regel wie in anderen Ländern bis zur Jahrgangstufe 10 gemeinsam lernen können – bei individueller Förderung sowohl für die leistungsstarken und leistungsschwächeren Schülerinnen und Schüler.

 

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„Chancengerechtigkeit bedeutet, dass jeder Einzelne sein maximales Lernpotenzial erreichen kann, und dafür ist die Individualisierung des Lernens ist von großer Bedeutung“, sagt der Bürgerrat Dieter Schulz, 69 aus Bad Zwischenahn in Niedersachsen. „Jeder Mensch hat individuelle Vorlieben, aber auch Abneigungen, sowie Stärken und Schwächen.“
Es sei unerlässlich, diese Aspekte in der Bildung uneingeschränkt zu berücksichtigen, sagt der ehemalige Personalentwickler in der IT. "Es ist an der Zeit, uns von einem reinen Lehransatz hin zu einem lernerzentrierten Ansatz zu bewegen.

 

Chancengleichheit in der Bildung sollte sicherstellen, dass alle Kinder und Jugendlichen die Chance auf eine guten Schulabschluss haben und so später ihren Wunschberuf anstreben können, ganz gleich, wo sie in Deutschland zur Schule gegangen sind und ob sich die Eltern diese Berufsausbildung ihres Kindes auch leisten können.

 

Alle Vorschläge des Bürgerrats für eine gerechte Bildung sind abrufbar auf der Homepage www.buergerrat-bildung-lernen.de.

 

Quelle: Montag Stiftung Denkwerkstatt

Foto: Fabian Sommer

 


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