Zu viel Zucker, Fett und Salz: Lebensmittel-Werbung für Kinder soll verboten werden

Grüner Minister will Krankheiten wie Diabetes oder Übergewicht vorbeugen – Werbebranche sieht sich benachteiligt

„Im Schnitt sehen Kinder täglich 15 Werbespots für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt“, sagt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). „In der Kindheit festigen sich Ernährungsgewohnheiten und wird die Grundlage für die spätere Gesundheit gelegt. Daher ist diese Lebensphase der entscheidende Ansatzpunkt für nachhaltig wirkende Maßnahmen. Kinder und Jugendliche verzehren etwa doppelt so viele Süßwaren und Snacks und nur halb so viel Gemüse und Obst wie empfohlen. Rund 15 Prozent der Drei- bis Siebzehnjährigen in Deutschland sind übergewichtig, darunter knapp sechs Prozent adipös.“

 

Özdemir will daher nun „klare und verbindliche Regeln zu an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung“ einführen.

 

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Was demnächst gelten soll

Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt soll sich in allen relevanten Medien nicht mehr an Kinder richten dürfen, erklärt das Ministerium.

 

An Kinder (unter 14 Jahre) gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt soll zwischen 6 und 23 Uhr nicht mehr erlaubt sein.

 

Die Regelung umfasst auch Influencermarketing, Sponsoring und Außenwerbung, etwa im Umkreis von 100 Metern von Schulen, Spielplätzen und Kindergärten etc.

 

Die Beurteilung eines hohen Zucker-, Fett- oder Salzgehaltes soll sich an den Anforderungen des Nährwertprofilmodells der Weltgesundheitsorganisation orientieren.

 

„Staatliche Verantwortung für den Schutz von Kindern“

Dr. Ophelia Nick, Bundestagsabgeordnete aus dem Kreis Mettmann und Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, ergänzt: „Kinder sind besonders empfänglich für Werbung und können diese oft nicht als solche erkennen. Sie sollten daher keine Zielgruppe für Werbung für ungesunde Lebensmittel sein. Besonders, da Werbung nachweislich das Essverhalten von Kindern beeinflusst und somit auch die Lust an und dem Verzehr von Süßem, Salzigem und Fettigem fördern kann. Zu viel von diesen Lebensmitteln trägt jedoch zu Krankheiten wie Diabetes oder Übergewicht bei. Solche Erkrankungen belasten die Kinder nicht nur in ihren jungen Jahren, sondern können sie ihr Leben lang begleiten. Die geplanten Regeln zu ungesunder Lebensmittel-Werbung, die sich an Kinder richtet, schützt daher die Gesundheit unserer Kinder. Das Bundeslandwirtschaftsministerium kommt damit seiner staatlichen Verantwortung des Kinderschutzes nach. Auch die Eltern, die sich eine gesunde Ernährungsumgebung für ihre Kinder wünschen, werden unterstützt.“

Die Grünen-Politikerin betont: „Alle dürfen selbst entscheiden, was sie essen möchten. Es liegt aber in unser aller Verantwortung, vulnerable Gruppen zu schützen. Und ich möchte, dass unsere Kinder gesund groß werden können.“

 

Medienverband fordert "ausgewogenes verantwortliches politisches Handeln"

Natürlich will sich die Werbebranche diese Vorschriften nicht ohne weiteres gefallen lassen: Der Verband Privater Medien (VAUNET)  warnt "vor einer Gefährdung der Vielfalt der Medienangebote in Deutschland".

 

Claus Grewenig, Vorstandsvorsitzender des VAUNET sowie Chief Corporate Affairs Officer von RTL Deutschland: „Verantwortliches politisches Handeln zeigt sich immer im Konkreten. Die Forderung nach unabhängigen journalistischen Angeboten und nach mehr Investitionen in hochwertige Inhalte können nie losgelöst von den finanziellen Rahmenbedingungen betrachtet werden, die die Politik aktiv setzt. Gerade in Zeiten großer wirtschaftlicher Belastungen sind mögliche negative Auswirkungen von Werbeverboten besonders problematisch.“

 

Aus Sicht des VAUNET seien die Eckpunkte des Gesetzentwurfs "weder erforderlich, konsistent noch evidenzbasiert". In einer Presseerklärung heißt es: "Wenn seitens der Unterstützer solcher Planungen etwa geäußert werde, dass Werbeverbote eine der kostengünstigsten Maßnahmen seien, um Übergewicht zu bekämpfen, verdeutliche dies umso mehr die Schieflage der Diskussion."

 

Grewenig: „Es braucht eine tiefgreifende Befassung und ernsthafte Abwägungsdebatte, auch unter Einbeziehung der Länder und bestehender Jugendschutzbestimmungen sowie Selbstregulierung der Wirtschaft. Bislang sind die Auswirkungen auf die Medienfinanzierung nicht hinreichend berücksichtigt worden. Wenn zwischen einer allgemeinen Anhörung der Branche und der Veröffentlichung der Eckpunkte nur wenige Tage liegen, so sagt das auch etwas über die Motivationslage des handelnden Ministeriums aus. Bundesregierung und Parlament müssen im weiteren Verfahren dringend in den sachlichen Austausch eintreten und die eng definierten Grenzen des Koalitionsvertrags beachten.“

 

Marco Maier, Vorsitzender des Fachbereichs Radio und Audiodienste des VAUNET und Geschäftsführer von Radio/Tele FFH, ergänzt: „Die geplanten Werbeverbote würden die privaten Audioangebote nachhaltig treffen. In der ungleichen Wettbewerbssituation zu den beitragsfinanzierten ARD-Radiowellen würde eine Umsetzung dieser Pläne zusätzlich zu Lasten der Privaten mit großen Einbrüchen in den regionalen Werbemärkten gehen. Investitionen in Zukunftstechnologien, die die Weichen für den Wettbewerb von morgen stellen, würden in Frage gestellt und gerade kleinere Radioanbieter wären existenziell bedroht.“

 

Bericht: Achim Kaemmerer
Foto: S.Hirst/V.Raic / Pixabay / Collage: anzeiger24.de

 


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