Das Debakel: Landes- und Bezirks-Wahlen in Berlin ungültig

Verfassungsgerichtshof: Zu viele Pannen und unrealistische Planung

Ist ausgerechnet der Stadtstadt Berlin nicht in der Lage, eine vernünftige demokratische Wahl durchzuführen? Offenbar nicht: Bei den Wahlen zum 19. Berliner Abgeordnetenhaus und zu den zwölf Berliner Bezirksverordnetenversammlungen (BVVen) am 26. September 2021 herrschte das totale Chaos.

Nun hat das Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin die Konsequenz gezogen und die Wahlen für ungültig erklärt und spricht von „erheblichen Wahlfehlern“, so die Begründung: „Damit ist in mehrfacher Hinsicht gegen die in der Berliner Verfassung niedergelegten Wahlgrundsätze verstoßen worden. Die Wahlfehler sind mandatsrelevant. Eine nur punktuelle Wahlwiederholung in einzelnen Wahlkreisen wäre angesichts der Vielzahl und Schwere der Wahlfehler nicht geeignet, einen verfassungsgemäßen Zustand herzustellen.“

 

Was ist alles schief gelaufen?

Das Gericht stellt u.a. fest:
Schon die Vorbereitung der Wahlen haben den in den Landeswahlvorschriften niedergelegten Anforderungen nicht genügt und Auswirkungen auf das gesamte Wahlgeschehen gehabt. Sie stellen für sich genommen bereits einen Wahlfehler dar. Diese Vorbereitungsmängel waren die Ursache dafür, dass es am Wahltag zu weiteren Wahlfehlern gekommen ist.

 

Beispiel: Für die Wahlhandlung wurden drei Minuten kalkuliert. Bei der Anzahl von Wahlkabinen (durchschnittlich 2,36 pro Wahllokal) hätten lediglich 472 Personen in der Zeit von 8 bis 18 Uhr wählen können. Realistischer wäre eine Wahlhandlung von fünf Minuten gewesen – und das hätte nur für 283 Wahlberechtigte pro Wahllokal gereicht. „Tatsächlich waren am 26. September 2021 jedoch in jedem Wahllokal durchschnittlich 1.085 Personen wahlberechtigt“, heißt es im Urteil.

Die Folge: „Angesichts dieser hohen Zahl der Wahlberechtigten pro Wahllokal war eine ordnungsgemäße Wahl nicht mehr gewährleistet. Denn schon nach der unrealistischen (...) zu kurz bemessenen Prognose der Landeswahlleitung hätten damit nur 40 Prozent der Wahlberechtigten die realisierbare Möglichkeit gehabt, zur Urne zu gehen. (…) Auf die Wahl in Präsenz hat aber jede und jeder Wahlberechtigte einen verfassungsmäßigen Anspruch.“

 

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Weiteres Beispiel: Weil Stimmzettel ausgetauscht werden mussten, kam es zum Kuddelmuddel. „In mindestens fünf von zwölf Bezirken wurden falsche Stimmzettel, d.h. für einen anderen Wahlkreisverband bzw. Wahlkreis vorgesehene Stimmzettel, ausgegeben. Die auf falschen Stimmzetteln abgegebenen Stimmen sind ungültig. Faktisch sind die betroffenen Wählerinnen und Wähler damit von der Wahl ausgeschlossen worden.“

 

Weiteres Beispiel: „Einige Bezirkswahlämter haben nicht alle benötigten Stimmzettel ausgehändigt (…) Bei der Nachbelieferung kam es zu erheblichen Verzögerungen. Einige Wahllokale haben daraufhin zwischenzeitlich geschlossen, ohne dass für die wahlwilligen Wartenden erkennbar gewesen wäre, wann mit einer erneuten Öffnung zu rechnen sei. In anderen Wahlkreisen wurden Kopien von Stimmzetteln angefertigt. Diese sind als ungültig zu werten, da sie nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen; die betroffenen Bezirkswahlämter konnten noch nicht einmal Angaben zur Anzahl der ausgehändigten Kopien machen.“

 

Welche Auswirkungen hatte das Wahlchaos?

Nach den ermittelten Zahlen alle Zweitstimmen sind 69 Sitze im Abgeordnetenhaus, sowie ein substantieller Teil der Erststimmen, d. h. mindestens weitere 19 Sitze, und damit insgesamt 88 von 147 Sitzen – rund 60 Prozent – von mandatsrelevanten Wahlfehlern betroffen, erklärt das Gericht.
Heißt also: „Mandatsrelevanz liegt vor, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass sich die festgestellten Wahlfehler auf die Sitzverteilung ausgewirkt haben könnten. Davon ist vorliegend auszugehen.“

 

Und was jetzt?

Die Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey, erklärte nach der Urteilsverkündung: „Diese Wahlen müssen in ganz Berlin wiederholt werden. (...) Ich habe den Senat auch deshalb gebeten, am heutigen Mittwochabend zu einer Sondersitzung zusammenzukommen. Ebenfalls wie angekündigt werde ich morgen vor dem Berliner Abgeordnetenhaus im Wege einer Regierungserklärung ausführlich Stellung zur aktuellen Lage beziehen. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, dafür zu sorgen, dass zukünftige Wahlen reibungslos ablaufen. (...) Auch wenn wir jetzt eine Wiederholungswahl vorbereiten, wird der Berliner Senat in der Krise handlungsfähig bleiben und gemeinsam mit den Bezirken dafür Sorge tragen, die Berlinerinnen und Berliner gut durch die Krise zu bringen.“

 

Soviel ist schon klar: Neuer Wahltermin soll am 12. Februar 2023 sein. 

 

Bericht: Achim Kaemmerer
Fotos: anzeiger24.de / Pixabay

 


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