PKW-Maut: Scheuer aus dem Schneider – Keine Regressforderung trotz Millionenschaden

29.12.2023

Rechtsgutachten: Prozessrisiko zu hoch – Minister können nicht belangt werden

Man stelle sich das einmal in der Privatwirtschaft vor: Ein Mitarbeiter oder auch eine Führungsperson versemmelt ein Projekt, und auf einmal muss der Betrieb dafür haften – ggf. sogar in Millionenhöhe. Das könnte für die Firma bitter werden. Je nach Sachlage muss der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer für den Schaden aufkommen.

In der Politik ist das etwas anders: Dort können Ministerinnen und Minister offenbar Geld – konkret: Steuergeld – versenken, ohne anschließend belangt zu werden, und obendrein ihre eigenen Regeln aufstellen.

Aktueller Fall: Ex-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) kann für seine Fehlleistung beim PKW-Maut-Debakel nicht haftbar gemacht werden, die den Bund, bzw. den Steuerzahler nun 243 Millionen Euro kosten wird. Das ist das Ergebnis eines unabhängigen Rechtsgutachtens, das Scheuers Nachfolger Volker Wissing (FDP) in Auftrag gegeben hatte: „Die Gutachter kommen zu dem Schluss, dass zwar eine Haftung aus einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis entsprechend §280 Absatz 1 Satz 1 BGB in Betracht komme, verweisen aber gleichzeitig auf das ganz erhebliche Prozessrisiko und die begründeten Zweifel an der Durchsetzbarkeit möglicher Ansprüche. Im Ergebnis raten die Gutachter von einer Klage ab“, heißt es in einer Presseerklärung. „Das BMDV folgt der Empfehlung des Gutachters, auch um weiteren Schaden für den Steuerzahler abzuwenden.“

 

Soll heißen: Eine Regressforderung hätte ohnehin keinen Erfolg und würde noch mehr Geld verschwenden.

 

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Kein Haftungsgesetz für Ministerinnen und Minister

Im vergangenen August sagte Wissing noch gegenüber der dpa: „Wir können die Akte nicht einfach beiseitelegen. Ich habe als Minister auch die Vermögensinteressen der Bundesrepublik Deutschland zu wahren. Und wenn es die Möglichkeit geben sollte, jemanden in Regress zu nehmen, dann wäre es meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass diese Regressforderungen durchgesetzt werden und nicht einfach die Akten in den Keller gelegt werden.“

Rechtsexperten (wie zum Beispiel Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung) zweifelten jedoch direkt daran, dass man Scheuer nachträglich zur Kasse bitten könne – denn es gibt kein Haftungsgesetz für Ministerinnen und Minister. Das müsste die Politik beschließen – und das dürfte gerade nach diesem Fall sehr zweifelhaft werden.

 

Rückblick: Worum geht’s?

Die CSU hatte schon immer für eine PKW-Maut auf deutschen Autbahnen gestritten; allerdings sollten nur Autofahrerinnen und Autofahrer aus dem Ausland die Gebühr zahlen. Von Anfang an zeichnete sich ab, dass dies EU-rechtlich problematisch werden könnte.

 

Das Rechtsgutachten fasst die Ereignisse darauf zusammen: „Mit dem Infrastrukturabgabengesetz (InfraAG) von 2015 wurde in Deutschland die Einführung einer Infrastrukturabgabe (sog. Pkw-Maut) für die Benutzung des Bundesfernstraßennetzes mit Kraftfahrzeugen bis 3,5 t beschlossen. Die Infrastrukturabgabe sollte sowohl von inländischen wie auch von ausländischen Fahrzeughaltern erhoben werden. Allein die inländischen Kfz-Halter sollten aber in mindestens gleicher Höhe der Abgabe von einem Steuerentlastungsbetrag bei der Kfz-Steuer profitieren.“

Auf diese Weise sollten die deutschen Autofahrerinnen und Autofahrer von der PKW-Maut ausgenommen werden.

 

„Auf Veranlassung von Bundesminister a. D. Andreas Scheuer schloss die BRD am 30. Dezember 2018 den Vertrag über die Entwicklung, den Aufbau und den Betrieb eines Systems für die Erhebung einer Infrastrukturabgabe mit dem Betreiber autoTicket GmbH sowie seinen Gesellschaftern CTS Eventim AG & Co.KGaA und Kapsch TrafficCom AG ab. Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 18. Juni 2019 entschied, dass die beabsichtigte Kombination von Infrastrukturabgabe und Steuersenkung zugunsten von Haltern in Deutschland zugelassener Kfz mit dem Unionsrecht unvereinbar ist, sah Bundesminister a. D. Scheuer das Vorhaben PkwMaut als gescheitert an und veranlasste die Kündigung des Vertrages Erhebung.“

 

Die Konsequenz: Ein Schiedsspruch vom 6. Juli 2023 bsagte: „Die Bundesrepublik Deutschland ist verpflichtet, den Betreibergesellschaften einen Betrag von 243 Mio. EUR zu zahlen. Damit sind sämtliche Ansprüche zwischen den Vertragsparteien aus dem Vertrag Erhebung vollständig und endgültig abgegolten.“

 

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E-Minister Andreas Scheuer betonte immer wieder, er habe sich nichts vorzuwerfen oder gar zu Schulden kommen lassen.
Das kann er jetzt erst recht sagen – er ist ja juristisch gesehen aus dem Schneider.

 

Bericht: Achim Kaemmerer

Fotos/Collage: Archiv anzeiger24.de / G.Altmann/Pixabay

 


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