
Verfassungsschutz stuft AfD als "gesichert rechtsextrem" ein
02.05.2025Partei selbst spricht von „politisch motivierter Diffamierung“
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat die „Alternative für Deutschland“ (AfD) am Freitag, 2. Mai 2025, offiziell als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft. Damit wird die Partei nicht mehr nur als Verdachtsfall beobachtet, sondern gilt nun nach mehrjähriger Prüfung als "nachweislich extremistisch".
Warum?
Die Entscheidung stützt sich auf eine drei Jahre andauernde gutachterliche Analyse, in der das BfV zentrale Grundprinzipien der Verfassung – darunter Menschenwürde, Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip – als Maßstab heranzog. Im Mittelpunkt der Bewertung steht laut Behörde das in der AfD „vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis“, das wesentliche Bevölkerungsgruppen von gesellschaftlicher Teilhabe ausschließe und sie herabsetze. Besonders betroffen seien Menschen mit Migrationsgeschichte, vor allem aus muslimisch geprägten Ländern.
Vizepräsident Sinan Selen und Vizepräsidentin Dr. Silke Willems erklären hierzu: Wir sind zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei der Alternative für Deutschland um eine gesichert rechtsextremistische Bestrebung handelt. Dieser Befund fußt auf einer äußerst sorgfältigen gutachterlichen Prüfung, die einen Zeitraum von rund drei Jahren umfasst. Wir haben dabei eine Vielzahl von Aussagen und Positionen hochrangiger Parteivertreterinnen und -vertreter aus dem gesamten Bundesgebiet berücksichtigt und auch neueste organisatorische Entwicklungen mit in das Gutachten einbezogen. Maßgeblich für unsere Bewertung ist das die AfD prägende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis, das ganze Bevölkerungsgruppen in Deutschland abwertet und in ihrer Menschenwürde verletzt. Dieses Volksverständnis konkretisiert sich in einer insgesamt migranten- und muslimfeindlichen Haltung der Partei.“
Die Einstufung folgt auf bestätigende Urteile des Verwaltungsgerichts Köln (2022) sowie des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Mai 2024), die bereits zahlreiche Hinweise auf verfassungsfeindliche Tendenzen innerhalb der Partei als gegeben ansahen. Die zwischenzeitlich gesammelten Belege hätten sich laut BfV nicht nur erhärtet, sondern seien „in wesentlichen Teilen zur Gewissheit verdichtet“ worden.
Besondere Aufmerksamkeit erhielt bei der Prüfung auch das Verhältnis der AfD zur Jungen Alternative (JA), die bereits 2023 als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wurde. Trotz organisatorischer Trennung sei ein ideologischer Gleichklang weiterhin erkennbar. Auch im Wahlkampfverhalten der Partei sieht das BfV fortgesetzte rechtsextreme Agitation – etwa in der Verwendung von Begriffen wie „Messermigranten“ oder der pauschalen Zuschreibung einer „ethnokulturellen Gewaltneigung“.
AfD spricht von „demokratiegefährdender Diffamierung“
Die Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla (kl. Foto oben) reagierten umgehend und mit scharfer Kritik. In einer gemeinsamen Erklärung bezeichneten sie die Entscheidung des Verfassungsschutzes als „schweren Schlag gegen die bundesdeutsche Demokratie“ und politisch motivierten Eingriff: "In aktuellen Umfragen führt die AfD als stärkste Kraft. Die Bundesregierung ist nur noch vier Tage im Amt. Der Geheimdienst verfügt noch nicht einmal mehr über einen Präsidenten. Und die Einstufung als sog. 'Verdachtsfall' ist nicht rechtskräftig abgeschlossen."
Trotzdem werde die AfD als Oppositionspartei nun kurz vor dem Regierungswechsel "öffentlich diskreditiert und kriminalisiert", heißt es weiter: "Der damit verbundene, zielgerichtete Eingriff in den demokratischen Willensbildungsprozess ist daher erkennbar politisch motiviert. Die AfD wird sich gegen diese demokratiegefährdenden Diffamierungen weiter juristisch zur Wehr setzen."
Und jetzt? Einstufung eines Experten
Was bedeutet das nun? In der tagesschau analysiert der ARD-Sicherheitsexperte Michael Götschenberg den Fall und seine Folgen. Die Antworten zusammengefasst:
Darf der Verfassungsschutz die AfD jetzt noch enger beobachten?
Nein – nicht enger, aber weiterhin mit den gleichen Mitteln. Die Hochstufung der AfD von einem „Verdachtsfall“ zu einer „gesichert rechtsextremistischen Bestrebung“ ändert am rechtlichen Instrumentarium des Verfassungsschutzes nichts Grundlegendes. Schon bisher durfte der Inlandsnachrichtendienst nachrichtendienstliche Mittel einsetzen – dazu gehören etwa das Anwerben von Quellen (V-Leuten), Finanzermittlungen und Kommunikationsüberwachung. Allerdings müssen diese Maßnahmen weiterhin von der G10-Kommission des Bundestags genehmigt werden, weshalb sie auch in Zukunft nur selektiv angewendet werden dürften.
Was bedeutet diese Bewertung für den Umgang mit der AfD in der parlamentarischen Demokratie?
Unmittelbare rechtliche Konsequenzen für die AfD gibt es nicht.
Die Partei bleibt weiterhin im Bundestag und ist nicht verboten. Dennoch hat die Einstufung politisch erhebliche Signalwirkung: Andere Parteien – insbesondere die Union – geraten unter Zugzwang, ihren Umgang mit der AfD zu überdenken. Die Entscheidung wird Debatten über die sogenannte „Brandmauer“ gegenüber der AfD neu befeuern: Soll die Partei parlamentarisch wie jede andere behandelt werden – oder grenzt man sie nun aktiv aus? Diese Frage wird in den kommenden Wochen und Monaten die politische Debatte prägen.
Kommt jetzt ein Verbotsverfahren?
Ein Verbotsverfahren ist derzeit nicht in Sicht.
Zwar wird diese Debatte jetzt erneut geführt werden – und das sei auch richtig, so Götschenberg –, aber die Einleitung eines Verbotsverfahrens ist keine Aufgabe des Verfassungsschutzes, sondern eine politische Entscheidung. Ein solcher Antrag könnte nur vom Bundestag, Bundesrat oder der Bundesregierung gestellt werden. Frühere Vorstöße – etwa aus dem Bundestag – sind mangels Unterstützung gescheitert. Zudem sieht derzeit kein Innenminister auf Landes- oder Bundesebene ein Verbot als gangbaren Weg. Denn: Ein Parteiverbot ist mit hohen rechtlichen und politischen Risiken verbunden und kann leicht scheitern – wie das Beispiel NPD zeigt.
Zusammenstellung: Achim Kaemmerer
Fotos: Bundesamt für Verfassungsschutz / Alternative für Deutschland Bundesgeschäftsstelle
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