Pflegereform: Mehr Leistungen und Unterstützung für Pflegebedürftige und Angehörige

26.05.2023

Dafür steigt Beitragssatz um 0,35 Prozent – Kinderlose zahlen mehr ein

Der Bundestag hat am Freitag, 26. Mai 2023, einer Reform der Pflegeversicherung. Sie soll „mehr Leistungen für stationäre und ambulante Pflege“ bringen, sagt das Bundesgesundheitsministerium.

In namentlicher Abstimmung wurde der Gesetzentwurf von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP „zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege“ mit 377 Stimmen gegen 275 Stimmen bei zwei Enthaltungen angenommen.

 

Worum geht es?

Das Gesetz sieht u.a. vor:

Zum Jahresbeginn 2025 und 2028 sollen die Geld- und Sachleistungen regelhaft und in Anlehnung an die Preisentwicklung „automatisch dynamisiert“ werden, erklärt die Bundesregierung: „Das Pflegeunterstützungsgeld können Angehörige nach dem Willen der Regierung künftig pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage je Pflegefall in Anspruch nehmen und nicht nur einmalig.

 

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Gestaffelt angehoben werden sollen mit Jahresbeginn 2024 auch die Zuschläge der Pflegekassen an die Pflegebedürftigen in vollstationären Pflegeeinrichtungen.

Je länger die Verweildauer im Heim, desto höher der Zuschlag. Bei einer Verweildauer bis zu einem Jahr sollen die Zuschläge von 5 auf 15 Prozent erhöht werden, bei einer Verweildauer zwischen einem und zwei Jahren von 25 auf 30 Prozent, bei einer Verweildauer zwischen zwei und drei Jahren von 45 auf 50 Prozent und bei einer Verweildauer von mehr als drei Jahren von 70 auf 75 Prozent.“

 

Das sogenannte Entlastungsbudget soll zum 1. Juli 2025 wirksam werden. In der häuslichen Pflege können dann Leistungen der Verhinderungspflege (bisher bis zu 1.612 Euro) und Kurzzeitpflege (bisher bis zu 1.774 Euro) im Gesamtumfang von 3.539 Euro flexibel kombiniert werden.

Für Eltern pflegebedürftiger Kinder mit Pflegegrad 4 oder 5 steht das Entlastungsbudget schon ab dem 1. Januar 2024 in Höhe von 3.386 Euro zur Verfügung und steigt bis Juli 2025 auf ebenfalls 3.539 Euro an.
Dafür soll die ab 2025 geplante Dynamisierung der Geld- und Sachleistungen in der Pflege von 5 auf 4,5 Prozent abgesenkt werden.

 

Bis zum 31. März 2025 soll ein digitales Verfahren zur Erhebung und zum Nachweis der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder entwickelt werden. Bis dahin soll ein vereinfachtes Nachweisverfahren gelten.

 

Zur Absicherung bestehender Leistungsansprüche der sozialen Pflegeversicherung und der im Rahmen dieser Reform vorgesehenen Leistungsanpassungen wird der allgemeine Beitragssatz zum 1. Juli 2023 um 0,35 Prozentpunkte angehoben. Die Regierung rechnet so mit Mehreinnahmen von rund 6,6 Mrd. Euro/Jahr.

Allerdings gilt auch: je mehr Kinder ein Beitragszahler hat, desto günstiger wird der Beitragssatz: Für Kinderlose liegt dieser dann bei 4%, bei Mitgliedern mit einem Kind bei 3,4%. Ab zwei Kindern wird der Beitrag während der Erziehungsphase bis zum 25. Lebensjahr um 0,25 Beitragssatzpunkte je Kind bis zum fünften Kind weiter abgesenkt.

Mehr Details gibt es hier

Was sagen die Pflegebverbände?

Der Arbeitgeberverband Pflege (AGVP) kritisier die Pläne des Bundesrats, private Anbieter in der Altenpflege stärker zu regulieren: „Mit ihrem Pflege-Sozialismus gefährden die Länder die Versorgung“, sagt AGVP-Präsident Thomas Greiner. „Die Bundesländer haben die Aufgabe, eine ausreichende Zahl an Heimplätzen zu garantieren und die Investitionskosten zu übernehmen. Aber statt endlich ihren Job zu machen, damit alle Pflegebedürftigen gut versorgt und untergebracht werden können, werfen sie den Heimen weitere Knüppel zwischen die Beine.

Die Kennzeichnungspflicht privater Pflegeeinrichtungen, ein Register zur Offenlegung nachgelagerter Inhaberstrukturen – die Vorschläge der Länder zur Pflegereform schaffen nicht einen zusätzlichen Heimplatz. Im Gegenteil: Mit ihrem Pflege-Sozialismus setzen die Länder die Existenz tausender privater Heime aufs Spiel, die für viele Hochbetagte ihr neues Zuhause geworden sind. Deshalb sollte der Bundestag diese Vorschläge des Bundesrats ignorieren.

Wenn die Länder mit derselben Tatkraft und Entschlossenheit in die Pflege investieren würden, mit der sie die privaten Heimbetreiber dämonisieren, hätten wir nicht diese Versorgungsengpässe in der Pflege. Bisher rauschten wir ungebremst in die Versorgungskatastrophe, jetzt geben die Länder auch noch Vollgas.“

 

Der Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa), Bernd Meurer, meint: „Die Bundesregierung setzt zum Fassadenanstrich an, während das gesamte Gebäude der Pflege wankt. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen finden schon heute kaum noch die Versorgung, die sie brauchen. Fast 70 Prozent der Pflegeeinrichtungen haben in einer bpa-Umfrage wirtschaftliche Schwierigkeiten angemeldet und andere Branchenstudien wie beispielsweise der Bank für Sozialwirtschaft gehen in die gleiche Richtung. Weil erheblich gestiegene Kosten nicht in vollem Umfang refinanziert werden und das Personal zunehmend fehlt, müssen immer mehr Pflegeeinrichtungen ihre Angebote drastisch einschränken oder ihren Betrieb einstellen.
Das beschädigt längst auch die gesamte deutsche Wirtschaft: Wer für seine Mutter keinen Heimplatz oder für seinen Vater keinen Pflegedienst findet, steht morgen nicht bei VW am Band.

Bundesgesundheitsminister Lauterbach gibt sich in dieser dramatischen Situation damit zufrieden, einige Hinweise des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. Es gibt im Gesetz nicht einmal den Versuch, die pflegerische Versorgung zukunfts- und demografiefest aufzustellen. Selbst die Ziele des eigenen Koalitionsvertrages bleiben im Wesentlichen unberücksichtigt. Das ist gefährliches Zaudern und Zuwarten, während die so wichtige pflegerische Angebotsstruktur wegbricht.
Die Pflegebedürftigen brauchen finanzielle Entlastung, damit sie sich die notwendige Pflege wieder leisten können. Und die Pflegeeinrichtungen brauchen jetzt ein Sofortpaket zur wirtschaftlichen Absicherung und Unterstützung, damit Deutschland nicht weiter mit Hochgeschwindigkeit in eine gefährliche Unterversorgung rauscht.“

 

Zusamenstellung: Achim Kaemmerer

Foto: guvo59/Pixabay

 

 


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