Krankenhausreform: Revolution oder Enttäuschung?

11.07.2023

Bund und Länder einigen sich – Krankenhausgesellschaft befürchtet trotzdem „Krankenhaussterben“

Da sind sich wohl viele Experten einig: Das deutsche Krankenhaussystem ist zu teuer und nicht effizient. Seit Monaten doktert Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach daher an einer Reform. Das geht aber nicht ohne die Fachkolleginnen und -kollegen aus den Ländern. Am 10. Juli 2023 haben sie sich nun auf Eckpunkte für eine Krankenhausreform geeinigt. Wenn das Gesetzesvorhaben nun durch das Parlament geht, soll die Reform zum 1. Januar 2024 in Kraft treten.

 

Eckpunktepapier: Krankenhausreform als Download

Worum geht es?

„Wir lösen das System der Fallpauschalen ab, durch ein System der Vorhaltepauschalen“, sagt Minister Lauterbach. „Die Kliniken erhalten so Geld dafür, dass sie bestimmte Leistungen anbieten – selbst dann, wenn sie sie nicht immer erbringen. Das nimmt den ökonomischen Druck von den Klinken, erlaubt eine Entbürokratisierung und sorgt für mehr Sicherheit und Qualität bei der medizinischen Versorgung von Patienten. Das ist eine Revolution.“

 

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Nur Kliniken, die die Qualitätskriterien für bestimmte Leistungen auch erfüllen, sollen die Vorhaltepauschalen erhalten: „Die Patienten können sich darauf verlassen, dass die angebotenen Krankenhausbehandlungen auch immer nötig sind und vom Krankenhaus mit der entsprechenden Qualität durchgeführt werden können. Die Kliniken bekommen eine Art Existenzgarantie, selbst wenn sie vergleichsweise wenige Behandlungen anbieten.“
Außerdem sei die Vorhaltepauschale von 60% eine Existenzgarantie für kleine Klinken. So könne eine flächendeckende medizinische Versorgung vor allem auf dem Land gesichert werden - trotz einbrechender Fallzahlen.

 

 

DKG: Nur Absichtserklärungen und Prüfaufträge

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) ist nicht so euphorisch. So erklärt der Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß: „Das Ergebnis der Bund-Länder-Gespräche ist in seinen konkreten Auswirkungen enttäuschend. Aus der großen Krankenhausreform, die vollmundig als Revolution angekündigt wurde, wurde nun ein Eckpunktepapier voller Absichtserklärungen und Prüfaufträgen. Natürlich ist es gut und richtig, dass man sich auf Eckpunkte für diese Reform geeinigt hat, denn wir brauchen diese Reform dringend. Positiv ist auch, dass man von dem radikalen Totalumbau, den die Regierungskommission und Minister Lauterbach ursprünglich durchsetzen wollten, Abstand genommen hat und sich auf das Modell aus Nordrhein-Westfalen geeinigt hat, das unter Beteiligung von Krankenkassen und Krankenhausgesellschaft entwickelt worden ist. Positiv ist auch, dass es Öffnungsklauseln gibt, um regionale Besonderheiten abzudecken. Doch das wiegt die negativen Auswirkungen für die nähre Zukunft nicht auf.“

 

In den kommenden Monaten und Jahren werde es viele Krankenhaus-Insolvenzen geben, befürchtet die DKG: „Das wird aber lapidar hingenommen. Um die inflationsbedingten Mehraufwände auszugleichen, sieht das Eckpunktepapier nur einen Prüfauftrag für den Bund vor, ob denn noch Gelder vorhanden sein könnten. Gleichzeitig wird dieser Prüfauftrag schon wieder zur Makulatur, denn der Bundesgesundheitsminister betont, dass er hier keine Hoffnung machen könne“, so Gaß.

 

Es soll ein Fond angelegt werden, der Rest aber bleibe unklar: „Für einen geordneten Transformationsprozess wäre es dringend erforderlich gewesen, klarzustellen, welche Mittel für den Umbau der Krankenhauslandschaft bereitgestellt werden. Dort wo Krankenhausstandorte geschlossen werden sollen, müssen an anderen Stellen Krankenhäuser erweitert oder neu gebaut werden. Diese fehlende Planungssicherheit ist auch für die Menschen in der Region, gerade in den ländlichen Gebieten hoch problematisch. Die Länder haben sich noch nicht einmal zu einer verbindlichen Selbstverpflichtung zur Aufstockung ihrer Investitionsmittel auf das erforderliche Niveau bereit erklärt. Damit negieren auch die Länder ihren Anteil an der derzeitig miserablen Lage der Krankenhäuser“, kritisiert Gaß.

 

Außerdem werde die Reform der Vorhaltepauschalen erst 2027 wirksam: „Bis dahin bleiben die Krankenhäuser mit ihren Problemen alleine. Die Insolvenzwelle rollt und die Versorgung wird sich verschlechtern. Auch beim Thema Entbürokratisierung gilt: Keine einzige konkrete Maßnahme, nur Absichtserklärungen. Es ist dringend erforderlich, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kliniken von überflüssiger Bürokratie entlastet werden. Das ist eine der zentralen Maßnahmen, um dem Personalmangel entgegen zu treten. Klare Aussagen und Maßnahmen fehlen aber komplett.“

 

Bericht: Achim Kaemmerer

Symbolfoto: Tumisu/Pixabay 

 


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