Lieferengpässe bei Medikamenten: Was bringt Lauterbachs neues Gesetz?

Bundesgesundheitsminister will „Ökonomisierung korrigieren“ – Apothekerverbände kündigen Protest an

Diese beklemmende Situation erleben seit Wochen viele erkrankte Menschen, insbesondere Eltern: In den Apotheken sind keine gängigen Medikamente mehr erhältlich. Der Grund ist bekannt: Lieferengpässe – vor allem aus Asien.

Was tun?

 

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat nun mit dem Bundeskabinett einen Gesetzentwurf „zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln“ (ALBVVG) beschlossen.

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Minister Lauterbach (Pressefoto: BMG/Thomas Ecke)

 

Er will damit die „übertriebene Ökonomisierung“ bei der Arzneimittelversorgung „korrigieren“, kündigte er am 5. April 2023 an: „Wir machen Deutschland wieder attraktiver als Absatzmarkt für generische Arzneimittel. Wir stärken europäische Produktionsstandorte. Und wir verbessern die Reaktionsmechanismen. Lieferengpässe wie im jüngsten Winter wollen wir damit vermeiden.“

 

Lieferengpassbekämpfungsgesetz: Das ist geplant

Für Kinderarzneimittel sollen die Preisregeln gelockert, Festbeträge und Rabattverträge abgeschafft werden. Die pharmazeutischen Unternehmer sollen ihre Abgabepreise einmalig um bis zu 50 Prozent des zuletzt geltenden Festbetrages bzw. Preismoratoriums-Preises anheben können. Krankenkassen sollen die entsprechenden Mehrkosten von ärztlich verordneten Arzneimitteln übernehmen. Zukünftig dürften keine Festbetragsgruppen mehr mit Kinderarzneimitteln gebildet werden.

 

Antibiotika mit Wirkstoffproduktion in der EU und im Europäischen Wirtschaftsraum sollen bei Ausschreibungen von Kassenverträgen zusätzlich berücksichtigt werden. Das soll die Anbietervielfalt erhöhen.

 

Der Preisdruck durch Zuzahlungsbefreiungsregeln soll gesenkt werden: von heute 30 Prozent auf 20 Prozent.
Das bedeutet: Liegt der Preis mindestens 20 Prozent unter Festbetrag, kann der GKV-Spitzenverband Arzneimittel von der Zuzahlung freistellen. Der Preisdruck bei Festbeträgen soll dadurch gedämpft werden.

 

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Vereinfachung der Austauschregeln für Apotheken: Ist ein Arzneimittel nicht verfügbar, dürfen Apothekerinnen und Apotheker nach den Plänen ein wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben. Für den Austausch sollen Apotheken und Großhändler einen Zuschlag erhalten. Können die verordneten Arzneimittel nur noch in Kleinpackungen abgegeben oder muss aus einer Packung eine Teilmenge entnommen werden, soll die Zuzahlung für die Versicherten auf die verordnete Menge begrenzt werden.

 

Preisinstrumente für versorgungskritische Arzneimittel sollen im Fall einer Marktverengung gelockert werden. Gibt es zu wenig Anbieter, könnten Festbetrag oder Preismoratorium einmalig um 50 Prozent angehoben werden.

 

Verbindliche, dreimonatige Lagerhaltung von rabattierten Arzneimitteln soll für Rabattverträge vorgeschrieben werden, um kurzfristigen Lieferengpässen bzw. gesteigerten Mehrbedarfen vorzubeugen.

 

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) soll zusätzliche Informationsrechte u.a. gegenüber Herstellern und Krankenhausapotheken erhalten. Zudem soll ein Frühwarnsystem zur Erkennung von drohenden Lieferengpässen eingerichtet werden.

 

Verbesserung der Versorgung durch Krankenhausapotheken und krankenhausversorgende Apotheken: Die Bevorratungsverpflichtungen für parenteral anzuwendende Arzneimittel und für Antibiotika zur intensivmedizinischen Versorgung soll erhöht werden.

 

Verfügbarkeit neuer Reserveantibiotika: Die Regeln zur Preisbildung sollen so angepasst werden, dass der finanzielle Anreiz für die Forschung und Entwicklung von neuen Reserveantibiotika für pharmazeutische Unternehmen verstärkt wird.

 

Apothekerverbände: "Bundesregierung verpasst Chance für Verbraucherschutz"

Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) meint: „Mit dem heute vom Bundeskabinett beschlossenen ALBVVG wird eine große Chance verpasst, das Lieferengpassmanagement in den Apotheken ab dem Sommer abzusichern und zu verbessern.“ Die Beschlussvorlage enthalte „erhebliche inhaltliche Mängel“ und würde den Verbraucherschutz nicht garantieren. Daher müssten Bundestag und Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren nachbessern.

 

„Lieferengpässe bei Medikamenten werden leider auf absehbare Zeit nicht zu vermeiden sein und müssen deshalb in den Apotheken effizient gemanagt werden“, sagt Mathias Arnold, Vizepräsident der ABDA. „Die Apotheken brauchen dazu Entscheidungsfreiheit und Handlungsspielraum, um beim Einlösen eines Rezeptes ein vorrätiges Ersatzmedikament abzugeben, statt den Patienten oder die Patientin zu vertrösten oder für ein neues Rezept zur Arztpraxis zurückzuschicken. Kurzum: Die Patientinnen und Patienten müssen schnell, unbürokratisch und sicher versorgt werden."

 

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Mathias Arnold
Pressefoto: ABDA

 

Die Bundesregierung löse die Lieferprobleme mit diesem Gesetz "leider nicht", meint Arnold. "Wir brauchen keine zwei Verfügbarkeitsanfragen beim Großhandel, wenn doch ein Alternativpräparat im Warenlager der Apotheke vorrätig ist. Als Engpass-Ausgleich für den Personal- und Zeitaufwand brauchen wir keinen zweistelligen Cent-Betrag, sondern einen zweistelligen Euro-Betrag. Wir brauchen Retaxationssicherheit, damit die Krankenkassen die Zahlung für den Arzneimittelpreis und das Apothekenhonorar nicht verweigern. Und wir brauchen die Möglichkeit, auch jederzeit Rezepturen und Defekturen selbst herzustellen, wenn kein industrielles Arzneimittel lieferbar ist.“

Die ABDA kündigt deshalb „Proteste und Aktionen“ an. „Apotheken kaputtsparen? Mit uns nicht!“, so Arnold.

 

Bericht: Achim Kaemmerer
Foto: ElisaRiva/Pixabay

 


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