Jetzt also doch: Atomkraftwerke sollen weiter laufen

Aber: Umweltverbände schlagen Alarm

Wochenlang hat sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne, kl. Foto) gesträubt und gewehrt; offenbar um seine Parteibasis nicht zu verschrecken. Doch nach einem ewigen Hickhack ist nun klar: Ohne Strom aus Atomkraftwerken ist die Energiesicherheit für diesen Winter höchstwahrscheinlich gefährdet

Also verkündete er am Dienstagabend, 27. September: Die beiden AKW Isar 2 (Bayern) und Neckarwestheim (Baden-Württemberg, Titelfoto) sollen auch nach dem ursprünglich geplanten Ende ihrer regulären Laufzeit (31. Dezember 2022) in eine „Einsatzreserve“ überführt werden wohlgemerkt: es geht hier vornehmlich um die Versorgung in Süddeutschland.

 

Das bedeutet: Isar 2 könnte bis voraussichtlich Anfang März 2023 weiter in Betrieb bleiben. „Dabei können nach Betreiberangaben zwischen anfänglich etwa 95 Prozent der Leistung bis etwa 50 Prozent der Leistung zum Ende bereitgestellt und damit ca. 2 TWh Strom produziert werden“, erklärt das Ministerium . „Hierfür sind Arbeiten zur Beseitigung von systeminternen Druckhalter-Leckagen bis spätestens Ende Oktober nötig, was einen etwa einwöchigen Stillstand bedeutet.“

 

Die Anlage in Neckarwestheim 2 könnte unter zwei Optionen weiter laufen:

Die elektrische Leistung müsste von ca. 820 MW auf ca. 250 MW gesenkt werden. Dadurch könnten bis voraussichtlich Anfang Februar 2023 etwa 0,5 TWh Strom produziert werden.

Alternativ könnte das AKW Neckarwestheim 2 zum 31. Dezember 2022 heruntergefahren und im Anschluss der Reaktorkern rekonfiguriert werden. Das würde einen Stillstand von ca. zwei bis drei Wochen bedeuten. Wenn die Anlage anschließend wieder hochgefahren wird, könnte sie bis zum 15. April 2023 die Bevölkerung in Süddeutschland mit ca. 1,7 TWh Strom versorgen.

 

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Entschieden ist das allerdings noch nicht, betonte Minister Habeck. Zuvor solle ein „Netzstresstest“ durchgeführt werden.

Weitere Einzelheiten gibt es hier.

Warum sind die Atomkraftwerke jetzt doch wieder notwendig?

Minister Habeck begründet den Schritt mit Versorgungsengpässen in Frankreich (also dem Land, das weiterhin auf Kernkraft setzt und Deutschland mit Strom versorgt, das seit Jahren am Ausbau der erneuerbaren Energiequellen arbeitet): „Mehr als die Hälfte der dortigen Atomkraftwerke ist nicht am Netz, es fehlen daher Strommengen, die Deutschland zum Teil mit Strom aus Gaskraftwerken ausgleicht. Entwickelt sich die Lage in Frankreich schlecht, verschärfen sich die Stressfaktoren für das deutsche Stromsystem. Von ursprünglich angegebenen 50 GW an Leistung aus den dortigen Atomkraftwerken im Winter ist nicht mehr auszugehen.“

 

Allerdings sei Atomenergie aus seiner Sicht weiterhin „eine Hochrisikotechnologie, die streng unter den geltenden Sicherheitsvorkehrungen eingesetzt werden muss“, so Habeck

 

Umweltschützer sind entsetzt

Befürworter von Kernenergie werden nun sicherlich meinen: „Das hab ich doch schon immer gesagt.“

 

Umweltschutzverbände dagegen schlagen erwartungsgemäß Alarm.

So erklärt beispielsweise Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH): „Die Bundesregierung tut (…) viel zu wenig, um Energie in allen Bereichen einzusparen – ist jetzt aber bereit, den in Jahrzehnten erreichten Atomausstieg schnell aufzukündigen. Wir warnen vor jeglicher Vorentscheidung  (…). Stattdessen müssen alle möglichen Maßnahmen zur Energieeinsparung, zum Lastenmanagement in der Industrie und zum verstärkten Einsatz von Wind- und Bioenergiereserven genutzt werden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist außerdem überhaupt nicht abzusehen, ob für den bevorstehenden Winter Engpässe im europäischen Stromnetz auftreten werden.“


Und auch Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutzschutz Deutschland (BUND), lehnt die Maßnahme natürlich strikt ab, „da sie Tür und Tor öffnet für weitere Laufzeitverlängerungen. Der Stresstest hat gezeigt, dass ein Weiterbetrieb deutscher Atomkraftwerke die Energiesicherheit weder in Deutschland noch in Frankreich qualitativ verbessern wird. Der Streckbetrieb wird eine Strommangellage nicht entscheidend abwenden, er wird die Sicherheitslage in Deutschland aber deutlich verschlechtern. Zudem verstößt das weitere Hinauszögern der Periodischen Sicherheitsüberprüfung (PSÜ), die hochriskante Atomkraftwerke auf Herz und Nieren prüfen soll, eindeutig gegen europäisches Recht. Atomkraftwerke bedeuten ein permanentes Sicherheitsrisiko.“

 

Bericht: Achim Kaemmerer
Pressefotos: EnBW und Dominik Butzmann

 


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