Urteil gegen Bundesregierung: Zu wenig für Klimaschutz getan
01.12.2023Regierung verweist auf aktuelles Programm und kann Revision einlegen
Die Bundesregierung tue zu wenig für sofortige Klimaschutzmaßnahmen. Das sagen nicht nur viele Umweltschützer und Klimaaktivisten, sondern jetzt auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg: Nach Klagen der Deutschen Umwelthilfe und des BUND hat der 11. Senat die Bundesregierung am 30. November 2023 dazu verurteilt, „ein Sofortprogramm nach §8 Klimaschutzgesetz zu beschließen, das die Einhaltung der im Klimaschutzgesetz genannten Jahresemissionsmengen der Sektoren Gebäude und Verkehr für die Jahre 2024 bis 2030 sicherstellt“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Und weiter: „Das Umweltbundesamt hat für die Sektoren Verkehr und Gebäude für die Jahre 2021 und 2022 Überschreitungen der zulässigen Jahresemissionsmengen festgestellt. Bei einer Überschreitung der zulässigen Jahresemissionsmenge für einen Sektor hat nach §8 Klimaschutzgesetz zunächst das zuständige Bundesministerium der Bundesregierung [also die Bundesministerien für Digitales und Verkehr von Volker Wissing (FDP) sowie Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen von Klara Geywitz (SPD), Anm.d.Red.] ein Sofortprogramm vorzulegen, das die Einhaltung der Jahresemissionsmengen des jeweiligen Sektors für die folgenden Jahre sicherstellt.“
Nachdem die einzelnen Bundesministerien im Juli 2022 ihre Sofortprogramme vorgelegt hatten, blieb jedoch ein Beschluss der Bundesregierung über diese Programme aus. Die Bundesregierung beschloss dann am 4. Oktober 2023 das Klimaschutzprogramm 2023. Doch das reiche nicht, urteilten jetzt die Richter: die Bundesregierung sei „aufgrund der festgestellten Überschreitungen an zulässigen Treibhausgas-Emissionen in den Sektoren Gebäude und Verkehr zu einem Beschluss über ein Sofortprogramm nach §8 Klimaschutzgesetz verpflichtet. Das nunmehr beschlossene Klimaschutzprogramm 2023 erfüllt nach Auffassung des Senats nicht die Anforderungen an ein Sofortprogramm.“
Soll auch heißen: die beiden zuständigen Minister habe ihre Hausaufgaben nicht gemacht, sondern den Klimaschutz den anderen Sektoren überlassen, wohl in der Hoffnung, dass dadurch die Klimabilanz der Bundesregierung insgesamt schon positiv ausfallen würde.
BUND und Umwelthilfe fordern nun: Tempolimit, Steuervorteile für fossile Energien abschaffen, mehr energetisches Bauen
Antje von Broock, BUND-Geschäftsführerin, kommentiert: „Das Gericht hat dem Klimaschutz den Rücken gestärkt. Das klimapolitische Versagen der Bundesregierung ist gesetzeswidrig. Von den Ministern Wissing, Geywitz und Robert Habeck [Wirtschaft und Klimaschutz, Grüne] erwarten wir jetzt rasch ambitioniertere Maßnahmen, um auf Klimakurs zu kommen.“
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), ergänzt: „Dieses Urteil ist der richterliche Doppel-Wumms für den Klimaschutz und eine schallende Ohrfeige für die Bundesregierung wegen ihrer katastrophalen Klimapolitik. Mit einem Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen, 80 km/h außerorts und Tempo 30 für die Stadt lassen sich jährlich über 11 Millionen Tonnen CO2 und damit ein Drittel des Fehlbetrages im Verkehrssektor einsparen. Zudem müssen endlich die zahlreichen klimaschädlichen Subventionen im Verkehr gestrichen werden, die die Gesellschaft jedes Jahr über 30 Milliarden Euro kosten. Allein mit der Abschaffung des Dienstwagenprivilegs spart die Ampel-Koalition auf einen Schlag bis zu 6 Millionen Tonnen CO2 und viele Milliarden Euro. Die Maßnahmen liegen seit Jahren auf dem Tisch. Die Regierung wollte einfach nicht. Mit diesem Urteil zwingen wir sie nun zum Klimaschutz."
Regierung: „Wir werden die Lücke bis 2023 schließen“
Trotz aller Euphorie: Einen kleinen Dämpfer gibt es für die Kläger doch noch. Die Regierung hat noch die Möglichkeit zur Revision beim Bundesverwaltungsgericht.
Und wird dies vielleicht auch tun, so zitiert beispielsweise die WELT den Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Habeck: „Die Bundesregierung wird die Urteile und ihre Begründungen, sobald diese schriftlich vorliegen, im Einzelnen genau auswerten und das weitere Vorgehen prüfen. Ganz grundsätzlich gilt: Die Bundesregierung verfolgt eine ambitionierte Klimaschutzpolitik, um die nach dem Klimaschutzgesetz festgelegten Ziele zu erreichen und die verbleibende Klimaschutzlücke zu schließen. Mit den im Klimaschutzprogramm 2023 enthaltenen Maßnahmen kann die Bundesregierung bis zu 80 Prozent der bestehenden Klimaschutzlücke bis zum Jahr 2030 schließen.“
Daher – so offenbar das Kalkül der Regierung – seien die Klimaschutz-Kriterien erfüllt und das Urteil hinfällig.
Bericht: Achim Kaemmerer
Foto: M.Distelrath/Pixabay
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