Stromriese RWE soll sein Haus in den Anden bezahlen

01.06.2025

Der peruanische Bergführer und Kleinbauer Saúl Luciano Lliuya hat schwere Vorwürfe gegen den deutschen Energiekonzern RWE erhoben. Wegen der CO₂-Emissionen des Unternehmens sieht er sein Zuhause im Andenhochland bedroht. Denn oberhalb der Stadt Huaraz, in der Lliuya lebt, liegt ein Gletschersee – gespeist von schmelzendem Eis. Der Bauer fürchtet eine Katastrophe und eine Überflutung seines Hauses durch Gletscherwasser. Deshalb hat der Bauer RWE verklagt, sich finanziell an Schutzmaßnahmen zu beteiligen.

Warum verklagt ein Mann aus Peru ausgerechnet RWE?

RWE ist einer der größten CO₂-Emittenten Europas. Lliuya stützt sich auf Studien, die dem Konzern einen Anteil von 0,38 Prozent an den globalen Emissionen seit Beginn der Industrialisierung zuschreiben. Das Argument: Wer mitverantwortlich ist für den Klimawandel, soll auch Verantwortung für dessen Folgen übernehmen – weltweit. Nach dieser Rechnung forderte Lliuya, dass RWE rund 13.000 Euro zu Schutzmaßnahmen gegen mögliche Überflutungen beiträgt.

RWE hat sich damit gewehrt: Würde man der Logik des Klägers folgen, könnte jeder einzelne CO₂-Verursacher – sogar Autofahrer – zukünftig haftbar gemacht werden. Im Übrigen habe man sich stets an geltendes Recht gehalten.

Ein deutsches Gericht in den Anden

Die Klage wurde bereits vor 10 Jahren in Essen eingereicht und in erster Instanz abgewiesen. Doch überraschend ließ das Oberlandesgericht Hamm 2017 die Berufung zu – und setzte damit ein Zeichen. Eine Delegation reiste eigens nach Peru, um sich ein Bild vor Ort zu machen. U.a. sollten Drohnenaufnahmen, Bodenproben und Gutachten klären, ob tatsächlich eine konkrete Gefährdung vorliegt.

Ein globaler Präzedenzfall?

Lliuyas Unterstützer – allen voran die deutsche Umweltschutzorganisation Germanwatch, die sich u.a. auch durch öffentliche Mittel finanziert – sehen in dem Verfahren eine weltweite Signalwirkung. Noch nie zuvor wurde ein Unternehmen wegen seiner historischen Klimaemissionen so konkret verklagt. Das OLG Hamm ließ die Beweisaufnahme zu – und damit schreibt dieser Fall nun Klimarechtsgeschichte.

Teuer, aber wirkungsvoll

Auch wenn Lliuya jetzt erst einmal gescheitert ist, bleibt die Klage bedeutend: Sie hat globale Aufmerksamkeit erzeugt – und Fragen zur Verantwortung von Unternehmen in der Klimakrise aufgeworfen. Die Prozesskosten übernahm Germanwatch mithilfe von Spenden und Fördergeldern. Ein Sprecher der Organisation betonte: „Der Fall zeigt, dass Klimafolgen nicht abstrakt sind – sie treffen Menschen konkret und weltweit.“

Und die Moral von der Geschicht: Gescheitert, aber nicht vergeblich

Obwohl das Gericht die Berufung ablehnte und eine Revision ausschloss, hat Lliuya mit seiner Klage ein neues Thema auf die juristische Weltbühne gebracht. Können Konzerne für ihren Beitrag zum Klimawandel weltweit haftbar gemacht werden – selbst wenn sie legal gehandelt haben? Die juristische Antwort ist klar. Doch die politische und gesellschaftliche Debatte besteht fort.