Prof. Hendrik Streeck fordert ein Umdenken in der medizinischen Behandlung hochbetagter Menschen
20.11.2025Wenn vieles möglich ist – sollte dann alles gemacht werden?
***Leitartikel***
Prof. Hendrik Streeck ist vielen Menschen noch als Corona-Experte in Erinnerung. Seit letztem Jahr sitzt er für die CDU im Deutschen Bundestag und hat dort nun eine breite Diskussion ausgelöst, weil er infrage gestellt hat, ob hochbetagte, schwerkranke Menschen automatisch jede medizinisch verfügbare Therapie erhalten sollten. Im Zentrum seiner Überlegungen steht die Frage, ob ein Eingriff tatsächlich Lebensqualität verbessert oder ob er vor allem zusätzliche Belastungen schafft.
Streeck kritisiert, dass im Gesundheitssystem oft die technische Machbarkeit überwiege. Behandlungen würden demnach durchgeführt, weil sie verfügbar sind, nicht unbedingt, weil sie für die betreffende Person sinnvoll seien. Er verweist auf Fälle, in denen komplexe Operationen, aufwendige Therapien oder sehr teure Krebsmedikamente bei sehr alten Menschen nur geringe Erfolgsaussichten bieten, gleichzeitig aber Schmerzen, Komplikationen oder einen Verlust an Selbstständigkeit verursachen. Ihm geht es nach eigenen Angaben nicht um Einsparungen, sondern darum, den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu rücken.
Kern seiner Forderung ist eine differenziertere Abwägung: Welche Behandlung steigert die Lebensqualität? Welche verlängert lediglich das Leiden? Und wie klar werden Patientinnen und Patienten über Nutzen, Risiken und Alternativen aufgeklärt? Und können Patienten das in einer Notlage auch noch vernünftig entscheiden?
Streeck spricht sich dafür aus, verbindlichere Leitlinien zu entwickeln, die in bestimmten Lebensphasen eine intensivere Prüfung der medizinischen und alternativer Optionen vorsehen. Maßgeblich sei aber selbstverständlich am Ende der Wille der betroffenen Person, ihr Gesundheitszustand und ihre persönliche Vorstellung eines würdevollen Lebensabends.
Die Reaktionen auf Streecks Vorstoß fallen sehr unterschiedlich aus. Patientenschützer begrüßen es, dass er ein lange vernachlässigtes Thema offen anspricht. Fachgesellschaften warnen hingegen vor pauschalen Altersgrenzen (die Streeck aber gar nicht fordert!) und betonen, dass das chronologische Alter allein nie ein Ausschlusskriterium sein darf.
Auch aus der Politik kommt Kritik: Man sehe die Gefahr, dass ältere Menschen ungewollt weniger Zugang zu notwendigen Behandlungen erhielten, wenn solche Aussagen falsch interpretiert würden.
Die Diskussion macht jedenfalls deutlich, wie sensibel der Umgang mit medizinischer Versorgung im hohen Alter ist. Einerseits besteht der Wunsch, moderne Medizin jedem zugänglich zu machen. Andererseits wächst das Bewusstsein dafür, dass nicht jede Maßnahme im letzten Lebensabschnitt sinnvoll oder menschenfreundlich ist. Die Herausforderung liegt darin, individuelle Entscheidungen zu ermöglichen, ohne sozialen Druck aufzubauen oder Versorgungslücken zu erzeugen.
Streecks Anstoß rückt eine grundlegende Frage in den Fokus: Wie definieren wir eine gute Behandlung am Lebensende? Die Antwort wird weder in pauschalen Regeln noch in rein technischen Möglichkeiten liegen, sondern in einer offenen, ehrlichen Beratung und im Respekt vor dem, was die betroffene Person selbst für richtig hält.
Bericht: LT
Fotos: Beauftragter der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen/David Peters / Pixabay
Was meint Ihr?
Schickt Eure Meinung gerne per Mail an
oder als Kommentar bei Facebook
unter DeinHilden, DeinLangenfeld, DeinMonheim, DeinHaan oder DerLeverkusener.
Euch hat unser Beitrag gefallen? Dann liked und teilt ihn gerne.
Und wie immer gilt: haltet unsere Richtlinien für „fair play“ ein!
Weitere Nachrichten gibt es unter www.anzeiger24.de und Deutschland-News
Du hast einen Tipp, eine Anregung, zu welchem Thema wir einmal recherchieren sollten?
Schreib uns an [email protected]. Deine Zuschrift wird streng vertraulich behandelt!
