
Paukenschlag: Merz bei Bundeskanzler-Wahl krachend gescheitert
06.05.2025Keine Mehrheit im ersten Wahlgang – ein einmaliger Vorgang – Ratlosigkeit bei CDU/CSU und SPD
Viele Jahre hat Friedrich Merz auf dieses Ziel hingearbeitet. Am heutigen Dienstag, 6. Mai 2025, war es zum Greifen nahe. Doch zahlreiche Abgeordnete aus der neuen Bundestags-Koalition von CDU/CSU und SPD machten ihm nun doch einen saftigen Strich durch die Rechnung: Der Sauerländer ist im ersten Wahlgang zum neuen Bundeskanzler krachend gescheitert und wurde nicht gewählt. Damit streicht Merz schon seine erste Niederlage in der neuen Regierung in spe ein, bevor er überhaupt im Amt ist. Ein wahrer Paukenschlag – so etwas hatte es zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nie gegeben.
In geheimer Wahl erzielte der Spitzenkandidat der Union 310 Stimmen. 316 hätte er mindestens verbuchen müssen, um ins Kanzleramt einzuziehen. 621 von 630 Abgeordneten hatten ihre Stimme abgegeben, eine davon war ungültig. Es gab 307 Nein-Stimmen und drei Enthaltungen. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD zählen zusammen 328 Abgeordnete, 208 von der Unionsfraktion und 120 von der SPD-Fraktion.
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hat daraufhin die Plenarsitzung unterbrochen.
Was jetzt?
Die Fraktionen beraten nun, wie sie weiter vorgehen wollen.
***Update***
Noch am selben Tag ist ein zweiter Wahlgang gestartet...
Laut Grundgesetz §63 gilt nun: Wird ein Kandidat im ersten Wahlgang nicht gewählt, so kann der Bundestag binnen 14 Tagen mit mehr als der Hälfte seiner Mitglieder einen Bundeskanzler wählen. Ein zweiter Wahlgang könnte vielleicht sogar am selben Tag oder am Mittwoch, 7. Mai 2025, stattfinden, meint beispielsweise CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann im Fernsehsender phoenix. Eine Erklärung für das Scheitern des designierten Kanzlers Friedrich Merz habe er nicht; die Unionsfraktion stehe nach wie vor geschlossen hinter Merz. In einer Fraktionssitzung habe es gar "Standing Ovations" gegeben.
Möglicherweise habe es im Parlament den ein oder anderen Abgeordneten gegeben, der im ersten Wahlgang ein Zeichen habe setzen wollen, dies aber im zweiten Wahlgang revidiere. "Das sind keine einfachen Zeiten, auch kein einfacher Start, da darf man nicht drumherum reden", meinte der CDU-Politiker..
Kommt eine Wahl innerhalb dieser Frist dennoch nicht zustande, so findet unverzüglich ein neuer Wahlgang statt, in dem gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält. Vereinigt der Gewählte die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich, so muss der Bundespräsident ihn binnen sieben Tagen nach der Wahl ernennen. Erreicht der Gewählte die Kanzlermehrheit nicht, so muss ihn der Bundespräsident binnen sieben Tagen entweder ernennen oder den Bundestag auflösen.
Wahlvorschläge für den zweiten oder dritten Wahlgang sind von einem Viertel der Mitglieder des Bundestages oder einer Fraktion, die mindestens ein Viertel der Mitglieder des Bundestages umfasst, zu unterzeichnen.
Welches Motiv haben die Abweichler?
Eigentlich hatten Merz und sein designierter Vizekanzler Lars Klingbeil von der SPD jeweils mit ausreichenden Mehrheiten in ihren Lagern gerechnet. Nun gab es aber offenbar doch mehrere Abweichler in den eigenen Reihen.
Man könnte jetzt über die Gründe spekulieren: Aus der Union könnten einige Abgeordnete unzufrieden mit Merz‘ Kehrtwende bei der Verschuldung sein. Wollten sie ihm einen Denkzettel verpassen?
In der SPD könnten immer noch einige Mandatsträger unglücklich mit dem Koalitionsvertrag sein – obwohl die Sozialdemokraten als Wahlverlierer relativ viel herausgeholt haben.
Nun sitzt der Schock tief, und Ratlosigkeit macht sich breit. Was auch immer die „Abtrünnigen“ beabsichtigt haben, sie haben erst einmal nur eins erreicht: Die AfD freut sich wohl am meisten, der Glaube an einen handlungsfähigen Staat wird weiter erschüttert. Oder ist es vielleicht sogar ein Zeichen von einer "lebendigen Demokratie", wenn nicht einfach alles so "durchgewunken" wird?
Mit seiner Sprunghaftigkeit, seiner launischen Art und dem Wortbruch nach der Bundestagswahl hat Merz sicherlich auch seinen Teil zu diesem Abstimmungsdesaster beigetragen...
Grüne nicht überrascht
Für die frühere Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast (Bündnis90/Grüne) kommt das Scheitern von Friedrich Merz nicht ganz überraschend. "Er hat einen Tonfall vorgelegt, wo man das Gefühl hatte, das rächt sich jetzt", erklärte Künast im Fernsehsender phoenix. Merz habe in der Vergangenheit die Ampel-Koalition zum Teil sehr scharf angegriffen. "Jetzt ist der potentielle Kanzler Merz massiv geschwächt. Es ist ein Donnerschlag für das ganze Land."
Der CDU-Kanzlerkandidat habe in der Vergangenheit sehr hohe Erwartungen auch im eigenen Lager geweckt, die kaum zu erfüllen seien, meint Künast: "Und jetzt ist plötzlich die Luft raus aus dem Windbeutel. Das verspricht nichts Gutes, wie immer es weitergeht."
Das Ergebnis des ersten Wahlgangs zeige zudem, dass Merz offenbar über wenig Bindungskraft in der Koalition verfüge: "Er ist jetzt auf hoher See. Wenn das beim zweiten Mal nicht klappen würde, müsste jemand anderes ran."
Hilfsstimmen der Grünen seien für Künast "absolut indiskutabel." Merz stehe für eine Art und Weise von Politik wie auch für Inhalte, die nicht ihren Vorstellungen entsprächen: "Wir hieven ihn nicht in etwas hinein, und dann hat er die Mehrheiten für Dinge, die wir politisch für falsch halten", so Künast abschließend.
Ramelow (Linke): "AfD nutzt dieses Chaos aus – das darf nicht passieren"
Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow (Die Linke) äußerte ebenfalls bei phoenix seinen Unmut: er sei "ziemlich sauer auf Herrn Merz und Herrn Klingbeil, dass wir in so eine Situation gekommen sind".
Er habe in seiner Fraktion dafür plädiert, "dass wir die Fristverkürzung aktiv mittragen, dass wir deutlich machen, das Parlament kann möglichst schnell zusammentreten, das wäre frühestens morgen [also Mittwoch, 7. Mai] der Fall, und wir setzen jetzt darauf als Linke, dass es morgen auch zu dieser Sitzung kommt."
An die Vorsitzenden von CDU und SPD gerichtet erklärte Ramelow: "Das hätte nicht passieren dürfen, wenn man zwölf Stimmen Mehrheit hat, dann hat man auch dafür zu sorgen, in entsprechenden Probeabstimmungen, dass es eine eigene Wahl gibt."
Die gescheiterte Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler erinnere ihn an Situationen in Thüringen und er äußerte die Befürchtung, "dass die AfD im Moment dabei ist, das Chaos für sich auszunutzen". Dies dürfe nicht passieren. Darum werde man als Linke alles dafür tun, dass schnell eine neue Regierung gebildet werden könne.
"Wir werden Herrn Merz nicht wählen, aber wir werden alles tun, damit der Bundestag zu einer wahlfähigen Versammlung zusammentreten kann und sehr schnell eine Entscheidung trifft, die zu einer Regierung führt", sagte Bodo Ramelow.
Bericht: Achim Kaemmerer
Quelle: tagesschau / Bundestag / phoenix
Fotos: anzeiger24.de / T.Koch
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