Ist jetzt ein Friedensprozess möglich? Zwischen Euphorie und Skepsis
16.12.2025Bundeskanzler zufrieden nach Gesprächen mit USA und Selenskyj
„Wir haben jetzt die Chance auf einen echten Friedensprozess für die Ukraine“, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz am Montagabend, 15. Dezember 2025, nach vertraulichen Gesprächen mit Unterhändlern aus den USA – ohne Präsident Trump – und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Berlin.
Dabei haben sich die Beteiligten auf folgende Punkte geeinigt:
- Sicherheitsgarantien: Es brauche einen Waffenstillstand, der die Souveränität des ukrainischen Staates erhalte, die europäische Perspektive der Ukraine wahre und ihren Wiederaufbau befördere. Dieser Waffenstillstand müsse durch „substanzielle rechtliche und materielle Sicherheitsgarantien der USA und der Europäer“ abgesichert sein, so der Kanzler. Darüber bestehe Einigkeit zwischen Ukrainern, Europäern und den USA.
- Territorialfragen: Eine Schlüsselfrage bleibe, welche territoriale Regelung es geben könne, sagte Merz. „Die Antwort darauf können nur das ukrainische Volk und der ukrainische Präsident geben, der sein Territorium hier verteidigt.“ Klar sei, dass Deutschland der Ukraine auch weiterhin als engster Partner helfen werde. Der Bundeshaushalt für 2026 sehe große Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte vor, betonte der Kanzler.
- Druck auf Russland: Moskau müsse dazu gebracht werden, „das Zeitspiel zu beenden“ und sich für einen Waffenstillstand öffnen. Um den Druck auf Russland weiter zu erhöhen, arbeite die Europäische Union an einem 20. Sanktionspaket und an neuen Maßnahmen gegen die russische Schattenflotte sowie an der Nutzbarmachung der in Europa festgesetzten russischen Vermögen, unterstrich der Bundeskanzler.
Das sagen Merz, Selenskyj und Trump
Bundeskanzler Friedrich Merz sprach von einer „realen Chance“ auf einen Friedensprozess, warnte jedoch vor überzogenen Erwartungen. Ein möglicher Waffenstillstand müsse die Souveränität der Ukraine sichern, ihre europäische Perspektive bewahren und durch belastbare Sicherheitsgarantien der USA und Europas abgesichert werden. In Berlin sei es gelungen, eine gemeinsame Verhandlungsposition zwischen Ukrainern, Europäern und Amerikanern zu entwickeln. Merz betonte zugleich, dass allein die Ukraine über territoriale Zugeständnisse entscheiden könne. Um Russland zu ernsthaften Gesprächen zu bewegen, kündigte er weiteren politischen und wirtschaftlichen Druck an, darunter neue EU-Sanktionen und die verstärkte Nutzung eingefrorener russischer Vermögenswerte. Deutschland werde die Ukraine militärisch und wirtschaftlich weiterhin umfassend unterstützen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj unterstrich den Willen seines Landes zu konstruktiven Verhandlungen, machte aber deutlich, dass ein Frieden nur mit wirksamen Sicherheitsgarantien tragfähig sei. Die Ukraine kämpfe nicht nur militärisch, sondern auch diplomatisch um ihr Recht auf ein freies, europäisches Leben. Selenskyj räumte ein, dass insbesondere bei territorialen Fragen weiterhin unterschiedliche Positionen bestünden, betonte jedoch die Bedeutung eines fairen und respektvollen Dialogs. Er lobte die enge Abstimmung mit Deutschland, die fortgesetzte militärische Hilfe – vor allem bei der Luftverteidigung – sowie die Zusammenarbeit beim Wiederaufbau und in der Rüstungs- und Energiewirtschaft. Die Nutzung eingefrorener russischer Vermögen zur Unterstützung der Ukraine bezeichnete er als gerechtfertigten Schritt.
US-Präsident Donald Trump äußerte sich insgesamt zufrieden über den Stand der Gespräche und sprach von Fortschritten hin zu einer möglichen Lösung. Man sei „näher dran als je zuvor“, auch wenn der Weg schwierig bleibe. Trump verwies auf zahlreiche Gespräche mit europäischen Staats- und Regierungschefs sowie mit Selenskyj und würdigte die erhebliche Unterstützung Europas. Gleichzeitig machte er deutlich, dass territoriale Fragen weiterhin der größte Konfliktpunkt seien und beide Seiten – Russland wie die Ukraine – dafür aufeinander zugehen müssten. Ob die aktuelle Annäherung tatsächlich in einen belastbaren Waffenstillstand mündet, ließ Trump offen.
Könnte es also eine „frohe Weihnachtsbotschaft“ mit einem „Frieden“ geben?
Da sind die Reaktionen doch sehr verhalten. Zum Beispiel erklärte Sara Nanni (Grüne), Obfrau im Verteidigungsausschuss, am darauffolgenden Dienstag im Morgenecho von WDR5: „Ich teile die Euphorie nicht. Ich bin auch überrascht, wie groß uns pathetisch sie gehalten wird." Denn an den großen Strukturen habe sich nichts geändert.
Außerdem saß ja der russische Präsident Putin nicht mit am Tisch. Wird es dieses Ergebnis akzeptieren? „Darauf wird er sich nicht einlassen“, schätzt Nanni. Außerdem habe die USA keinen wirklichen Friedenswillen. Trump wolle ja „nur Geschäfte machen“.
Auch der SPD-Verteidigungsexperte Ralf Stegner zeigt sich im rbb24 Inforadio eher verhalten optimistisch: "Dass die Europäer sich einbringen wollen, wenn auch spät, das ist sicherlich ein Fortschritt." Es sei gut, dass man mit den Amerikanern versucht, eine Einigung zu erzielen und dass die Ukraine beteiligt wird, aber: "Was davon am Ende übrig sein wird, wird man erst wissen, wenn die Verhandlungen mit Putin stattgefunden haben."
Die angekündigten Sicherheitsgarantien der USA sind nach Stegners Ansicht der entscheidende Punkt dafür, dass die Ukraine ein Friedensabkommen überhaupt akzeptieren kann, "so schwierig wahrscheinlich insbesondere die territorialen Fragen auch sind."
Quelle: Bundesregierung / tagesschau / WDR / rbb
bearb: KA
Foto: Nennieinszweidrei / Pixabay
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