
Landtagswahlen in Bayern und Hessen: Mahnung an die Ampel-Bundesregierung?
09.10.2023Koalitionsparteien verlieren Stimmen – Recht-Konservative gewinnen
Die meisten Ergebnisse waren erwartbar. Auch wenn bei Landtagswahlen die regionalen Themen im Vordergrund stehen sollten, so haben doch die Bundeslandes-Wahlen in Hessen und Bayern gezeigt, wie unzufrieden die wahlberechtigte Bevölkerung mit der Arbeit der Bundesregierung ist.
Was ebenfalls befürchtet wurde: Die AfD profitiert am meisten von den Streitereien der demokratrischen „Alt-Parteien“ und der Stimmungslage im Land.
Bayern: CSU verliert, bleibt aber stärkste Kraft
Quelle: Landeswahlleiter des Freistaates Bayern
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sieht im Interview mit dem Fernsehsender phoenix mit dem Abschneiden seiner Partei bei der bayerischen Landtagswahl "einen klaren Regierungsauftrag".
Er räumte aber auch ein, dass die CSU früher bessere Ergebnisse erzielt habe, doch habe es früher keine Freien Wähler und keine AfD gegeben.
"Das hat die Lage grundlegend verändert", so Söder. Die AfD sei ein bundespolitisches Problem, das durch die "schwache und nicht vorhandene Migrationspolitik in der Ampel" noch verstärkt worden sei.
Söder schloss zugleich aus, mit den Grünen über eine mögliche Zusammenarbeit zu reden. Die Zusammenarbeit mit den Freien Wählern sei in den vergangenen fünf Jahren erfolgreich gewesen. Die Grünen hätten zudem in Berlin "definitiv nicht den Nachweis einer Regierungsfähigkeit erbracht" und auch in Bayern gänzlich andere Auffassungen vertreten. Deshalb sei die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit den Freien Wählern richtig.
Die bayerische Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) hat klar gemacht, dass ihre Partei mit dem Ergebnis auch selbstkritisch umgehen müsse. "Ich glaube nach wie vor, dass wir mehr Potential haben. Mit Sicherheit muss man darüber nachdenken, wieso wir die Leute nicht für uns gewinnen konnten", erklärte Aigner im Fernsehsender phoenix. Dennoch sah sie ein klares Signal, das von der Wahl ausgehe. "Wir haben mit den Freien Wählern die letzten Jahre stabil und gut regiert und ich gehe davon aus, dass das auch in Zukunft gut funktionieren wird. Aber trotzdem muss man fragen, wieso die konservativen Wählerinnen und Wähler nicht zu uns zurückgekommen sind", so die CSU-Politikerin.
Freie Wähler: „Haben Klartext gesprochen“
Der Chef der Freien Wähler in Bayern, Hubert Aiwanger, will auch nach der Landtagswahl mit deutlichen Worten die Politik der Ampel-Regierung in Berlin kritisieren. Das gute Wahlergebnis für seine Partei sei darauf zurückzuführen, "dass wir in Bierzelten, Versammlungen und bei den Firmengesprächen Klartext gesprochen, und nicht um den heißen Brei herumgeredet haben", machte Aiwanger im Fernsehsender phoenix deutlich. Die derzeitige Bundesregierung regiere gegen die Mehrheit der Bevölkerung, "und sie ist schuld, dass sich die Ränder immer mehr gegenseitig hochschaukeln. Da müssen wir Freien Wähler die Dinge beim Namen nennen und die Ampel einbremsen", so der bisherige stellvertretende bayerische Ministerpräsident.
Die sogenannte „Flugblatt-Affäre“, die einige Wochen vor der Wahl in Bayern für Aufregung gesorgt hatte, will Aiwanger rasch hinter sich lassen. "Es war eine Schmutzkampagne und das haben die Wähler durchschaut", so Aiwanger, der hinzufügte: "Ein linkes Medium wollte mir ins Knie schießen."
Grüne: Zweitbestes Ergebnis in Bayern – zurück zur Sacharbeit
Die Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze zeigte sich nach der Prognose und ersten Hochrechnungen zufrieden mit dem Abschneiden ihrer Partei bei der bayerischen Landtagswahl. "Nach den bisherigen Prognosen werden wir unser zweitbestes Ergebnis in der Geschichte der Grünen in Bayern einfahren. Darauf kann man erstmal stolz sein", so Schulze im Interview mit dem Fernsehsender phoenix. Alle Parteien der Berliner Ampel-Koalition hätten "ein bisschen schlechter" abgeschnitten, wobei die Grünen noch am stabilsten seien, doch zeigten die Zahlen, dass der "Streit am Ende niemandem nutzt" und deshalb wünsche sie sich, "dass dort wieder zur guten Sacharbeit zurückgekehrt wird". Das Ergebnis zeige, dass die Grünen in Bayern "stabil verankert" seien, sagte Schulze mit Bick auf den Wahlkampf, in dem der bayerische Ministerpräsident Markus Söder jede Zusammenarbeit mit den Grünen ausgeschlossen hatte, da sie "kein Bayern-Gen" hätten.
Hessen: CDU-Kandidat Rhein gewinnt haushoch gegen SPD-Ministerin Faeser
Quelle: Statistisches Landesamt Hessen
Der hessische Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat Boris Rhein wertete das Abschneiden seiner Partei bei der Hessen-Wahl als "schönes Ergebnis" und als einen klaren Regierungsauftrag an die Hessen-Union. Im Interview mit dem Fernsehsender phoenix kündigte er zugleich Sondierungsgespräche sowohl mit dem bisherigen Grünen-Koalitionspartner als auch mit der von Bundesinnenministerin Nancy Faeser als Spitzenkandidatin geführten SPD an.
"Am Ende kommt es natürlich darauf an, wo wir am meisten Programmatik der Union durchsetzen können."
Die wichtigsten Themen für die Union seien die Top-Themen des Wahlkampfs wie die "Senkung der Grunderwerbssteuer auf Null", der kostenlose Meisterbrief und "die Fußfessel für Frauenschläger". Das werde in fairen und sehr konstruktiven Gesprächen mit Grünen und SPD ausgelotet werden, so Rhein im phoenix-Interview.
"Die Bürger erwarten, dass diskutiert wird, aber dass Debatten auch zu Ende gebracht werden und dass gehandelt wird", erklärte der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Andreas Jung im Fernsehsender phoenix. Dies gelte insbesondere für die Migrationspolitik, wo die demokratischen Parteien der Mitte nun zu Ergebnissen kommen müssten. "Die großen Themen können nur durch einen breiten Schulterschluss geklärt werden", so Jung weiter. Der CDU-Vize warf in diesem Zusammenhang Bundeskanzler Scholz vor, einen Deutschland-Pakt zwar verkündet, ihn aber nicht mit Leben gefüllt zu haben.
Die Hessen-Wahl habe im Übrigen gezeigt, dass eine Zusammenarbeit mit den Grünen auf Landesebene funktionieren könne. "Offensichtlich hat Schwarz-Grün Hessen nicht geschadet, sondern Hessen vorangebracht. Das hat viel mit der Person von Ministerpräsident Boris Rhein zu tun", war Jung überzeugt. Bundespolitisch liege jetzt viel Verantwortung bei den Grünen, die in der Vergangenheit viele Fehler gemacht hätten. "Sie haben durch ihren Holzweg beim Heizungsgesetz viel Vertrauen verloren. Und auch bei der Migrationsfrage liegt viel bei den Grünen", meinte der CDU-Vize.
SPD-Spitzenkandidatin Faeser: „Bitterer Abend und schmerzhaftes Ergebnis“
"Die Niederlage tut sehr weh. Es ist ein sehr bitterer Abend und ein schmerzhaftes Ergebnis", sagte SPD-Spitzenkandidatin Nancy Faeser bei phoenix nach den Verlusten ihrer Partei bei der hessischen Landtagswahl. Die Gründe dafür sieht die Bundesinnenministerin weniger bei sich selbst als bei den Schwerpunkten, die die SPD in Hessen gesetzt habe: "Es ging weniger darum, was ich in Berlin gemacht habe. Uns ist es in Hessen nicht gelungen, über die Bildungspolitik zu reden. Wir sind mit diesen Themen nicht durchgedrungen. Jetzt müssen wir analysieren, warum uns das nicht gelungen ist."
Ihre eigene Zukunft ließ sie offen, mögliche Koalitionsgespräche würden allerdings mit ihr geführt.
"Jetzt ist nicht die Zeit für Schnellschüsse. Meine Partei hat sich heute mit mir solidarisch gezeigt, dafür bin ich unendlich dankbar. Wir werden jetzt gemeinsam analysieren, was wir tun müssen, um die Menschen, die zur AfD gegangen sind, wieder für uns zurück zu gewinnen."
Was bedeuten die Ergebnisse für die Ampel-Koalition?
SPD: „Menschen sind erschöpft und veränderungsmüde“
SPD-Parteichefin Saskia Esken hat nach den Landtagswahlen in Bayern und Hessen im Fernsehsender phoenix die schweren Niederlagen ihrer Partei eingestanden. Ihre Partei habe sich mit ihrer Politik nicht bei den Wählern verankern können. "Wir haben eine Situation im Land, dass die Menschen sehr erschöpft sind und veränderungsmüde, und deshalb auch auf die scheinbar einfachen Antworten, die die Rechtspopulisten dort geben, eingehen. Das hat uns Schwierigkeiten gebracht", konstatierte die SPD-Vorsitzende.
Esken bezeichnete die Zustimmung zur AfD in den beiden Bundesländern als "erschreckend". Deshalb müsse die Gesamtgesellschaft reagieren. Aufgrund der Verunsicherung und Sorgen vieler Bürger durch unterschiedlichste Entwicklungen "müssen wir mehr Sicherheit und mehr Orientierung anbieten.
Grüne: „Performance der Ampel stellt Erfolge der ‚Ampel‘ in den Schatten“
Der Co-Vorsitzende von B'90/Die Grünen, Omnid Nouripour, nannte die Prognose-Zahlen für die Grünen in Hessen und Bayern ein "stabiles Ergebnis". Natürlich hätten er und seine Partei sich mehr gewünscht, aber er sei stolz darauf, dass die Grünen "in beiden Ländern die zweitbesten Ergebnisse geholt" hätten, so Nouripour im Interview mit dem Fernsehsender phoenix. Er räumte ein, dass die "gesamte Performance der Ampel zuweilen in den Schatten stellt, was die Koalition tatsächlich hinbekommt. Das tut niemandem gut und das müssen wir zusammen abstellen."
Ein weiterer Auftrag für die Ampel und weitere Parteien sei das Abschneiden der AfD in Bayern und Hessen: "Wir müssen uns darauf verpflichten, dass wir mehr darauf setzen, Vertrauen aufzubauen und die Art, wie wir streiten, ein bisschen abzustellen", sagte Nouripour im phoenix-Interview.
FDP: „Erwartung an Bundesregierung hat sich nicht erfüllt“
Die Bundesministerin für Bildung und Forschung und hessische FDP-Landesvorsitzende, Bettina Stark-Watzinger, sieht einen klaren Zusammenhang zwischen dem Regierungshandeln in Berlin und dem Ausgang der Landtagswahlen in Bayern und Hessen. Alle drei Koalitionspartner hätten Verluste hinnehmen müssen. "Die Erwartung, die die Menschen an die Regierung stellen, hat sich nicht erfüllt. Das wird der Arbeitsauftrag sein", sagte die Ministerin im Interview mit dem TV-Sender phoenix. Antworten müssten nun vor allem in der Frage der Migration gefunden werden, auch der Fokus auf die Wirtschaft sei wichtig.
Bezogen auf das gute Abschneiden der AfD sagte Stark-Watzinger, dass die Ränder immer dann stark seien, "wenn es große Themen gibt, die die Menschen bewegen. Und die Frage der Migration ist ein großes Thema. Deswegen muss man sich dieser Realität stellen." Stark-Watzinger machte deutlich, dass Verantwortung und humanitäre Hilfe nicht vernachlässigt werden dürften. Aber es müsse klare Regeln geben, damit Zuwanderung machbar sei. Dafür müsse klar zwischen legaler und illegaler Migration unterschieden werden.
AfD: „Das war eine Denkzettel-Wahl“
Die Co-Bundessprecherin der AfD, Alice Weidel, wertet im Interview mit dem Fernsehsender phoenix das Abschneiden ihrer Partei bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen als "Rekordergebnis", und weiter: "Insgesamt fühlt sich das sehr gut an. Aber noch viel besser ist, dass wir deutlich mehr Wähler überzeugen konnten von unserer freiheitlichen Politik“.
Es sei auch eine "Denkzettel-Wahl" gegen die Ampelregierung gewesen, "die ja wirklich nachweislich Politik gegen die eigene Bevölkerung betreibt", so Weidel.
Die Ablehnung der anderen Parteien, mit der AfD zu koalieren, nannte Weidel "das Phänomen dieser sogenannten Brandmauer".
Insbesondere die CDU verbaue sich mit dieser Ablehnung der AfD gegenüber die strategische Option einer Mitte-Rechts-Koalition: "Das mag vielleicht bei diesen Wahlen jetzt noch klappen, spätestens im nächsten Jahr, wenn wir die Landtagswahlen in Ostdeutschland haben, wird das nicht mehr funktionieren. Ich glaube auch, wenn sich die Bundesspitze in der CDU weiter verweigert, dass ihr die Funktionäre in Ostdeutschland von der Fahne gehen", so Alice Weidel im phoenix-Interview.
Zusammenstellung: Achim Kaemmerer
Quelle: phoenix-Kommunikation
Fotos: Pixabay / Collage: anzeiger24.de
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