
Milliarden für Corona-Masken versenkt – Geheimbericht enthüllt noch mehr teure Fehler
16.06.2025Chaos, Deals ohne Ausschreibung an Bekannte gegen den Rat von Fachleuten – Beschaffungs-Skandal setzt Ex-Minister noch mehr unter Druck
Milliarden-Summen an Steuergeld verschleudert wegen eines zu hastigen und unwirtschaftlichen Virenschutzmasken-Einkaufs in der ersten Phase der Corona-Pandemie – diese Nachricht ist nicht wirklich neu, aber neue Enthüllungen des Rechercheverbundes WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung offenbaren ein noch größeres Ausmaß an Verschwendung und Formfehlern im so genannten „Masken-Deal“. Der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gerät dadurch immer mehr in Bedrängnis.
Kurz nach Ausbruch der Infektionswelle im Frühjahr 2020 war Geschwindigkeit das Gebot der Stunde – doch ein bisher unter Verschluss gehaltener Bericht zur Maskenbeschaffung wirft nun ein kritisches Licht auf das Vorgehen und den Alleingang des Spitzenpolitikers. Die drei Medien wollen herausgefunden haben, dass ein 170-seitiger Bericht der Sonderermittlerin Margaretha Sudhof schwere Vorwürfe gegen Spahn erhebt – von missachteten Warnungen über unterbliebene Ausschreibungen bis hin zu chaotischen Abläufen mit milliardenschweren Folgekosten für den Steuerzahler.
Milliardendeal ohne Ausschreibung
Kernstück der Kritik ist die damalige Entscheidung des Bundesgesundheitsministeriums, das Logistikunternehmen Fiege aus dem Münsterland – Spahns Heimatregion – mit der zentralen Lagerung und Verteilung von Schutzmasken, Desinfektionsmitteln und weiterer Schutzausrüstung zu beauftragen. Der Vertrag, so der Bericht, wurde ohne Wettbewerbsverfahren vergeben und umfasste ein Volumen von rund 1,5 Milliarden Euro. Eine rechtliche Grundlage oder ein dokumentierter Auswahlprozess lagen demnach zunächst nicht vor – die offizielle Begründung wurde erst Monate später rückdatiert erstellt.
Das für Vergaben zuständige Beschaffungsamt des Innenministeriums hatte sich laut Bericht zunächst gegen die Beauftragung von Fiege gesperrt – es liefen bereits Gespräche mit etablierten Logistikdienstleistern wie DHL und Schenker. Doch das Gesundheitsministerium setzte sich durch: mit direkter Intervention beim Innenministerium.
Eigenmächtigkeit, Chaos, Milliardenrisiken
Sudhofs Bericht zeichnet das Bild eines Ministeriums, das auf zentrale Verfahrensstandards verzichtete und sich in einer Mischung aus Aktionismus und politischem Ehrgeiz zunehmend selbst überforderte. Spahn habe laut Bericht "nachweislich gegen den Rat seiner Fachabteilungen" gehandelt und versucht, die Beschaffung "im Alleingang" zu meistern. Die Folge: ineffiziente Prozesse, chaotische Lagerhaltung, massenweise ungenutzte Masken – von sechs Milliarden Euro ausgegebener Mittel soll rund zwei Drittel unnötig gewesen sein.
Ein besonders folgenreiches Beispiel: das sogenannte Open-House-Verfahren, bei dem das Ministerium jedem Anbieter bis Ende April 2020 feste Preise für FFP2-Masken zusicherte. Die Ankündigung führte zu einer Angebotsflut – weit über den Bedarf hinaus. Die Logistik, unter anderem von Fiege organisiert, brach laut Sudhof regelrecht zusammen. Die Aufarbeitung dieser Beschaffungen beschäftigt die Justiz bis heute – mit potenziellen Milliardenforderungen an den Bund.
Verdeckte Kommunikation und Rechtsrisiken
Hinzu kommen gravierende Mängel in der Dokumentation: Ministeriumsinterna seien per WhatsApp und SMS kommuniziert worden – ohne Archivierung, wie sie gesetzlich vorgeschrieben ist. Spahn selbst soll regelmäßig von seinem privaten Bundestags-Account und per Messenger-Diensten kommuniziert haben, auch mit Lieferanten. In einem Fall bat er gar um Screenshots via WhatsApp.
Auch in der rechtlichen Nachbereitung offenbart der Bericht Mängel: Externe Beratungsfirmen wie EY und Deloitte wurden mit weitreichenden Entscheidungsbefugnissen ausgestattet – inklusive Vertragsrücktritten und Vergleichsverhandlungen. Der Berliner Anwalt Axel Mütze, der zahlreiche Lieferanten gegen den Bund vertritt, zeigt sich angesichts dessen erstaunt über die "Privatisierung staatlicher Entscheidungen".
Spahns Verteidigung: „Not kennt kein Gebot“
Jens Spahn selbst weist die Vorwürfe entschieden zurück. In Interviews verteidigt er sein Vorgehen als notwendige Improvisation in einer Ausnahmesituation. "In der Not ist Haben wichtiger als Brauchen", sagt er. Ausschreibungen seien zeitlich unmöglich gewesen, Fiege habe ein "einsatzfähiges Konzept" gehabt. Dass persönliche Kontakte bei der Auswahl geholfen hätten, sei angesichts der Krise nachvollziehbar.
Kritik an der Sonderermittlerin weist er zurück – sie habe "politisch bewertet statt sachlich analysiert". Auch die CDU/CSU-Fraktion, deren Vorsitz Spahn inzwischen übernommen hat, unterstellt Sudhof politische Motive.
Verzögerte Veröffentlichung – politische Brisanz
Obwohl der Bericht bereits seit Januar im Bundesgesundheitsministerium vorliegt, wurde er bislang nicht vollständig veröffentlicht. Ex-Minister Karl Lauterbach (SPD) hielt ihn nach eigener Aussage aus Rücksicht auf den beginnenden Wahlkampf unter Verschluss. Die neue Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) verweigert eine Veröffentlichung unter Verweis auf Datenschutz und laufende Verfahren.
Doch der politische Druck wächst: Immer mehr Details aus dem Sudhof-Bericht gelangen an die Öffentlichkeit – und werfen Fragen auf nach Verantwortlichkeit, Transparenz und politischer Aufarbeitung.
Quelle: tagesschau
AK
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