
Steuergeldverschwendung Pkw-Maut: Muss sich Ex-Minister Scheuer nun doch verantworten?
20.08.2025Generalstaatsanwaltschaft Berlin: Anklage wegen „Falschaussage“ – doch was bringt das am Ende?
Er hatte wohl gedacht, es sei mittlerweile Gras über das Pkw-Maut-Desaster gewachsen, das er maßgeblich mit verursacht hat. Nun aber kommt der Bumerang doch noch zurück geflogen: der ehemalige Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Andreas Scheuer (CSU), sowie sein damaliger parlamentarischer Staatssekretär und späterer Geschäftsführer der Toll Collect GmbH, Dr. Gerhard Schulz, müssen sich offenbar „wegen des Verdachts der Falschaussage im sog. Pkw-Maut-Untersuchungsausschuss“ vor dem Landgericht Berlin I verantworten, teilt jetzt die Generalstaatsanwaltschaft Berlin mit.
243 Millionen Euro Steuergeld verschwendet
Rückblick: Im Jahr 2018 schloss Scheuer mit den Firmen CTS Eventim und Kapsch TrafficCom Verträge zur Erhebung und Kontrolle einer Pkw-Maut auf deutschen Autobahnen ab – mit einer Laufzeit von zwölf Jahren und einem Gesamtvolumen von etwa 2 Milliarden Euro.
Besonders pikant dabei: Die deutschen Autofahrer sollten keine Maut zahlen, bzw. als Ausgleich in den Genuss einer Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer kommen. Nur Autobahnnutzer aus dem Ausland wären damit faktisch zur Zahlung der Gebühr verpflichtet gewesen wäre. Schon damals gab es Warnsignale, dass diese Regelung gegen EU-Recht verstoße. Das hat Scheuer ignoriert.
Am 18. Juni 2019 bestätigte der Europäische Gerichtshof (Rechtssache C-591/17) die Bedenken: die Pkw-Maut in dieser Form wurde für unzulässig erklärt.
„Dies führte zu Schadensersatzforderungen der Betreiber gegen die Bundesrepublik Deutschland“, schreibt die Generalstaatsanwaltschaft Berlin. Und zwar in Höhe von 243 Millionen Euro Steuergeld, das quasi „bei voller Fahrt aus dem Autofenster geworfen“ wurde.
Was wird Scheuer und Schulz vorgeworfen?
Ein Untersuchungsausschuss zwischen Oktober 2020 und Januar 2021 sollte nun der Frage nachgehen, ob diese Verschwendung hätte vermieden werden können – beispielsweise indem Scheuer vor einem verbindlichen Vertragsschluss zunächst die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abgewartet hätte.
Scheuer und Schulz wurden daher zu den Abläufen der Vertragsverhandlungen mit den Betreiberfirmen befragt.
Was wird ihnen nun vorgeworfen? Dazu schreibt die Generalstaatsanwaltschaft Berlin: „Auf die (...) Fragen Abgeordneter, ob seitens der Betreiber bei einem Treffen am 29. November 2018 angeboten worden sei, die Verträge erst nach der EuGH-Entscheidung zu unterzeichnen, sollen beide Angeschuldigte entgegen ihrer tatsächlichen Erinnerung angegeben haben, sich an ein solches Verschiebungsangebot nicht erinnern zu können. Laut Anklage soll es sich dabei um bewusste Falschaussagen handeln.“
Und nun?
Die Anklage mag vielleicht etwas Genugtuung bei Menschen auslösen, die sich – zu Recht – über die Chuzpe des Ministers erregen.
Doch was kommt eigentlich am Ende heraus? Können Scheuer und Schulz persönlich haftbar gemacht werden? Können gar Regressforderungen gestellt werden? Mit dieser Frage haben sich bereits nach Scheuers Amtszeit die Juristen beschäftigt. Ergebnis: Das könnte schwierig werden, meint beispielsweise der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestag. In einer allgemeinen „Kurzinformation“ heißt es zunächst zwar: „Nach § 839 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)1 haftet ein Beamter für Schäden, die er in Ausübung seines Amtes durch Verletzung seiner Amtspflicht einem Dritten vorsätzlich oder fahrlässig zugefügt hat. Nach Art. 34 S. 1 Grundgesetz (GG)2 geht die Haftung auf den Staat über. (…) Die Haftung des Staates greift nicht nur für Beamte, sondern für alle Personen, die in öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnissen stehen. Dies umfasst auch die Bundesminister, die nach § 1 Bundesministergesetz in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Bund stehen.“
Allerdings heißt es auch weiter: „Art. 34 S. 2 GG sieht die Möglichkeit des Staates vor, in Fällen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit Regress beim handelnden Amtswalter zu nehmen. Diese Möglichkeit bedarf aber eines entsprechenden Gesetzes oder einer vertraglichen Grundlage. Im Verhältnis zu Bundesbeamten hat der Gesetzgeber eine entsprechende Regelung geschaffen (§ 75 Bundesbeamtengesetz). Das für Bundesminister einschlägige Bundesministergesetz sieht eine solche Rückgriffsmöglichkeit jedoch nicht vor.“
„Na, typisch“, dürfte jetzt „Otto Normalbürger“ denken. Warum sollten Minister auch Gesetze beschließen, die sie später selber belasten könnten? Dazu kommentierte vor wenigen Tagen erst das Handelsblatt: „Der Gedanke an Regress wirkt auf den ersten Blick verführerisch. Doch die Konsequenz einer persönlichen Haftung wäre wohl ein Ministerium des Zögerns: zurückhaltend, ängstlich, getrieben von Risikovermeidung. Wer bei jedem Schritt rechtliche Konsequenzen fürchten muss, wird im Zweifel gar nicht mehr handeln – vor allem nicht in Krisen. Und auch Innovationen lassen sich aus einer solchen Haltung kaum gebären.“
Wird das neue Verfahren also doch als Leerfahrt enden? Die beiden Angeschuldigten bestreiten den Tatvorwurf. Ex-Minister Scheuer erklärte gegenüber der BILD-Zeitung: "Die Entscheidung, nun Anklage zu erheben, ist für mich nicht nachvollziehbar und macht mich betroffen. Die Motive und der Zeitpunkt für die Anklage sind mir unverständlich und erscheinen mehr politisch motiviert."
Bericht: Achim Kaemmerer
Fotos: anzeiger24.de / KI generiert mit Adobe Firefly
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