Abwassergebührenkalkulationen in NRW zu hoch? Wegweisendes Urteil beim OVG

Steuerzahler-Bund: Kommunen müssen ihre Zinssätze neu berechnen

„Das OVG Münster hat den Kommunen einen herben Schlag versetzt“, so kommentiert Rik Steinheuer, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler NRW (BdSt NRW) das Urteil des 9. Senats am Oberverwaltungsgericht Münster vom 17. Mai 2022: Die Abwassergebührenkalkulation der Stadt Oer-Erkenschwick ist rechtswidrig. Geklagt hatte ein Gebührenzahler, unterstützt vom Bund der Steuerzahler. Er wehrte sich damit gegen die Forderung von 599,85 Euro für das Jahr 2017. „Die konkrete Berechnung führte laut Gericht dazu, dass das Gebührenaufkommen unzulässigerweise die Kosten der Abwasserbeseitigungsanlagen übersteigt. Die Entscheidung hat Auswirkungen auf alle Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen“, sagt nun Rik Steinheuer.

 

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Gebühren sollen Betriebsfähigkeit sicherstellen und keine Gewinne abschöpfen

Die Berechnung von kalkulatorischen Abschreibungen und Zinsen überschreite die Kosten der Anlagen. So heißt es in der Pressemitteilung des OVG Münster: „Die Gebühren [in diesem konkreten Fall, Anm.d.Red.]  waren insgesamt um rund 18% überhöht." Grund dafür seien grundlegende Kalkulationsfehler: 

Entwässerungsanlagen seien mit ihrem Wiederbeschaffungszeitwert (Preis für die Neuanschaffung einer Anlage gleicher Art und Güte) sowie einer kalkulatorischen Verzinsung des Anlagevermögens mit dem Nominalzinssatz (einschließlich Inflationsrate) abgeschrieben worden – betriebswirtschaftlich vertretbar, so das Urteil, aber: „Aus der Gemeindeordnung NRW ergibt sich der Zweck der Gebührenkalkulation, durch die Abwassergebühren nicht mehr als die dauerhafte Betriebsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung der Abwasserbeseitigung sicherzustellen. Die Gebühren dürfen nur erhoben werden, soweit sie zur stetigen Erfüllung der Aufgaben der Abwasserbeseitigung erforderlich sind. Der gleichzeitige Ansatz einer Abschreibung des Anlagevermögens auf der Basis seines Wiederbeschaffungszeitwertes sowie einer kalkulatorischen Nominalverzinsung widerspricht diesem Kalkulationszweck, weil er einen doppelten Inflationsausgleich beinhaltet.“ Und der sei unzulässig.

 

Berechnung darf nur noch Zinsen der letzten zehn Jahre zugrunde liegen – statt 50 Jahre

Darüber hinaus sei der von der Stadt Oer-Erlenschwick in der Gebührenkalkulation angesetzte Zinssatz von 6,52% sachlich nicht mehr gerechtfertigt: Der Nominalzinssatz für Eigen- und Fremdkapital wird aus dem 50-jährigen Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten, zuzüglich eines pauschalen Zuschlags von 0,5 Prozentpunkten für höhere Fremdkapitalzinsen ermittelt. „Das geht über eine angemessene Verzinsung des für die Abwasserbeseitigungsanlagen aufgewandten Kapitals hinaus“, meint das Oberverwaltungsgericht: Die Kommunen dürfen demnach bei der Kalkulation ihrer Abwassergebühren nur noch die Zinsen der letzten zehn Jahre zugrunde legen und müssen, wenn sie vom Wiederbeschaffungszeitwert abschreiben, die realen Zinsen berücksichtigen. Daraus ergäbe sich für das Jahr 2017 bei der von der Stadt Oer-Erkenschwick ansonsten gewählten Methode ein Zinssatz von 2,42%.

 

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann die Stadt Beschwerde einlegen, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

 

Steuerzahlerbund: OVG urteilt im Sinne der Gebührenzahler

„Die Richter teilen voll und ganz unsere Auffassung“, erklärt Rik Steinheuer vom BdSt NRW. „Abwassergebühren sind dazu da, die kommunale Abwasserbeseitigung sicherzustellen – und nicht, auf Kosten der Gebührenzahler satte Gewinne abzuschöpfen. Gebührenzahler, deren aktueller Abwassergebührenbescheid noch nicht rechtskräftig ist, werden von der Entscheidung für das Jahr 2022 profitieren.“

 

Bericht: Achim Kaemmerer
Quelle: Pressemitteilungen OVG Münster / BdSt NRW
Foto: Hermann Hammer/Bru-nO/quimono / Pixabay / Collage: anzeiger24.de

 


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