Ist der Kampf gegen die CO-Pipeline beendet?

21.01.2022

Rückschlag für die Kläger: Keine Revision gegen OVG-Urteil möglich – Und jetzt?

Seit rund 15 Jahren nun schwelt der Rechtsstreit zwischen dem Leverkusener Werkstoffhersteller Covestro AG (vormals Bayer Material Science) und den Gegnern einer CO-Pipeline, die die Werke in Krefeld-Uerdingen und Dormagen miteinander verbindet. Sie wurde teilweise auf enteigneten Privatgrundstücken verlegt und soll hochgiftiges Kohlenmonoxid transportieren, das für die Kunststoff-Produktion benötigt wird.

➤ Mehr Hintergrundinfos…

Beide Seiten sind überzeugt, dass sie juristisch im Recht seien. Im Sommer 2020 aber mussten die Kläger (u.a. Anwohner, aber auch betroffene Stadtverwaltungen) einen Rückschlag einstecken: Das Oberverwaltungsgericht Münster hat ➤ entschieden, dass weder der Planfeststellungsbeschluss noch das von der damaligen NRW-Landesregierung (CDU/FDP) extra für dieses Projekt verabschiedete Rohrleitungsgesetz von 2006 rechtswidrig seien.

Letzte Hoffnung der Projekt-Gegner: Eine Revision dieses Urteils vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Doch auch dieser Strohhalm ist nun umgeknickt: Diese höhere Instanz hat die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen. „Damit ist das Urteil des OVG Münster rechtskräftig geworden“, teilt uns Covestro-Pressesprecher Jochen Kluener auf Nachfrage mit.

 

Und jetzt?

 

Was sagt die Covestro AG?

Wir haben noch mehr Fragen an die COV Deutschland AG gerichtet, die uns der Pressesprecher beantwortet hat.

 

Wird die Pipeline jetzt in Betrieb gehen?

Wir werden und können die Pipeline erst in Betrieb nehmen, wenn die rechtlichen und baulichen Voraussetzungen vollständig erfüllt sind. Zu der Umsetzung der Maßgaben aus dem Planänderungsbeschluss, den die Bezirksregierung Düsseldorf im August 2018 erlassen hat, gehört zum Beispiel das Einbringen eines zweiten GeoGrids, also einer Spezialmatte, die unsere Versorgungsleitung vor Beschädigungen schützt.

Zum anderen beziehen sich die Arbeiten auf die Erfüllung von weiteren noch verbliebenen behördlichen Auflagen. Das sind beispielsweise die Prüfung der Rohrfernleitung mit Hilfe eines speziellen Inspektionsgeräts, einer sogenannten intelligenten Molchung, und die Umsetzung des abgestimmten Alarm- und Gefahrenabwehrplans in Einsatzpläne der lokalen Feuerwehren.

 

Ein genauer Zeitpunkt für die Inbetriebnahme steht daher noch nicht fest. Das kann noch etwas dauern.

 

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Es sind außerdem noch weitere Klageverfahren beim Verwaltungsgericht Düsseldorf anhängig. Diese Verfahren ruhen gegenwärtig.

Nach unserer Ansicht hat das Urteil des OVG gezeigt, dass der Planfeststellungsbeschluss vollständig rechtmäßig ist.

 

Der Streit zieht sich nun bereits über rund 15 Jahre. In der Zeit hat sich viel verändert. Ist die Rohrleitung noch immer für den Bestand der Covestro und der Arbeitsplätze notwendig?

Natürlich. Kohlenmonoxid (CO) ist ein wichtiger Grundstoff für die Kunststoff-Herstellung (z.B. Wärmedämmplatten, Autoscheinwerfer, sichere Ausweise, Windkrafträder etc.)

Durch die Leitung soll der Standort Krefeld-Uerdingen in eine zuverlässigere, sichere und umweltschonendere CO-Verbundstruktur eingebunden werden. Dadurch werden sowohl die Kohlenmonoxid-Verfügbarkeit und die Produktionssicherheit, aber auch die Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit des gesamten NRW-Standortverbundes erhöht.

 

Mit mehr als 110.000 Beschäftigten erwirtschaftet die Kunststoff-Industrie hier nach jüngeren Studien einen Umsatz von etwa 25 Milliarden Euro.

 

Kritiker würden jetzt sagen: Sie sind doch all die Jahre auch ohne die Pipeline ausgekommen…

Seit Jahren hangeln wir uns durch. Am Standort Uerdingen existiert bislang nur eine lokale CO-ProduktionCO kann nicht in nennenswerten Mengen gespeichert werden. Wenn die lokale Anlage also ausfällt, ist die Versorgung der Produktionsanlagen in Uerdingen sofort unterbrochen.

 

In Dormagen wird in hochmodernen Anlagen Kohlenmonoxid produziert. Diese Anlagen versorgen nicht nur Dormagen, sondern über eine seit vielen Jahren betriebene Pipeline auch den Standort Leverkusen. In diesen Verbund soll Uerdingen eingebunden werden. Das erhöht also zum einen die Verfügbarkeit und damit die Produktionssicherheit des gesamten NRW-Verbundes.

Ferner ist dies weitaus wirtschaftlicher als der Aufbau einer weiteren lokalen CO-Produktion in Uerdingen bei gleichzeitiger Verbesserung der CO2-Bilanz.

 

Eine ausschließliche CO-Produktion in Krefeld-Uerdingen ist also eine Insellösung mit massiven Einschränkungen der Wettbewerbsfähigkeit und dem Verzicht auf die umweltfreundlichste Lösung. Für Uerdingen werden sonst auch weiterhin Wettbewerbsnachteile entstehen.

 

Was sagen nun die Gegner und Kläger?

Thomas Hendele, Landrat vom Kreis Mettmann, ist von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts enttäuscht: "Ich finde insbesondere nicht nachvollziehbar, dass die umfangreich aufgeworfenen grundsätzlichen Fragestellungen aus der Planfeststellung des Projekts nicht zur Zulassung der Revision geführt haben. (…) Der Kreis Mettmann und die beteiligten Städte lehnen dieses Projekt nach wie vor ab. Obendrein fehlt immer noch das Sicherheitskonzept der Betreiberin. (…) Die Fa. Covestro sollte sehr eingehend prüfen, ob sie gegen den erklärten Willen des Kreises und der beteiligten Städte und gegen den Willen der Bevölkerung im Kreis Mettmann einen 15 Jahre alten Planfeststellungsbeschluss realisiert.

 

Und auch der Langenfelder Bürgermeister Frank Schneider meldete sich zu Wort: „Wir prüfen nun gemeinsam mit den von uns unterstützten Klägern und deren Anwälten die Rechtslage, auch hinsichtlich noch gegebenenfalls möglicher weiterer Schritte.“

Er unterstützt Landrat Thomas Hendele: „Sicherlich fußt dieser Aufruf an das Unternehmen nicht auf einer juristischen Grundlage, ist aber ein deutlicher Appell an die Verantwortung der Geschäftsleitung, nicht auf der Durchsetzung eines Vorhabens zu bestehen, das gegen den Willen von beteiligten Kommunen und vor allem vielen tausend Bürgerinnen und Bürgern erfolgen würde. Wenn die Produktionen nun über 15 Jahren ohne die Pipeline ausgekommen sind, spricht vieles dafür, auch weiterhin Lösungen zu nutzen, die den Betrieb der CO-Pipeline und deren Betriebsgefahren überflüssig machen“, so Frank Schneider.

 

Dieter Donner, Pressesprecher der Initiative "Stopp Bayer-COvestro-Pipeline" macht seinem Ärger Luft:

"Hat es schon einmal ein solch 'krummes' Verfahren gegeben? Das Hickhack um die seltsame CO-Pipeline könnte als Lehrbuch für die 'Verschiebung von Verantwortlichkeiten' durch Poltitik, Verwaltung und Gerichte in die Geschichte eingehen.

(...) Nun verweigert das Bundesverwaltungsgericht einen gründlichen prüfenden Blick. Es hätte zum Rechtsfrieden vor Ort beitragen können, die Entscheidung noch mal an höherer Stelle zu prüfen. Leider hat das Gericht die Chance verstreichen lassen.

So müssen nicht nur 110.000 Einwohner in der betroffenen Region darauf einstellen, demnächst tagtäglich mit der neuen Bedrohung leben. (...) Für Covestro und andere Konzerne wurde mit der Entscheidung eine Tür aufgestoßen, ihre gefährlichen Substanzen nicht mehr auf dem Werksgelände sichern zu müssen, sondern öffentlichen und privaten Grund dafür zu nutzen – mit höchstem richterlichen Segen.

Die jüngsten Ereignisse rund um die Explosion bei Currenta in Leverkusen haben gezeigt, wie weit es im Ernstfall um die Sicherheitsversprechen von Unternehmen bestellt ist – wenn Politik und Verwaltung Verantwortlichkeiten hin und her schieben.

Wir werden uns die letzte Begründung des Bundesverwaltungsgerichtes noch genau ansehen. Und wir werden als Initiative weiter für bürgernahe und demokratiegerechte Verfahren kämpfen und notfalls auch die Europäische Gerichtsbarkeit bemühen."

 

 

Der Widerstand geht also weiter... 

 

Bericht: Achim Kaemmerer
Archivfoto: anzeiger24.de / pixel2013/Pixabay

 


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