Unwort des Jahres: Pushback

Sprachexperten kritisieren: Menschenfeindlicher Prozess wird beschönigt

"Pushback" ist das "Unwort des Jahres 2021". Zumindest hat das eine "institutionell unabhängige und ehrenamtliche Initiative von vier Sprachwissenschaftler(innen) und einer Journalistin entschieden. 

 

Was bedeutet "Pushback"?

Der Ausdruck „Pushback“ stammt aus dem Englischen und bedeutet ‚zurückdrängen, zurückschieben‘. Im Migrationsdiskurs bezeichnet das Wort die Praxis von Europas Grenztruppen, Flüchtende an der Grenze zurückzuweisen und am Grenzübertritt zu hindern. Ganz unterschiedliche Politiker:innen, Journalist:innen und Organisationen verwendeten im Jahr 2021 den Ausdruck in Debatten zur Einwanderung über die europäischen Außengrenzen.

 

Die Jury kritisiert die Verwendung des Ausdrucks, weil mit ihm ein menschenfeindlicher Prozess beschönigt wird, der den Menschen auf der Flucht die Möglichkeit nimmt, das Menschen- und Grundrecht auf Asyl wahrzunehmen. Den Flüchtenden wird somit ein faires Asylverfahren vorenthalten. Der Einsatz des Fremdwortes trägt zur Verschleierung des Verstoßes gegen die Menschenrechte und das Grundrecht auf Asyl bei. Mit dem Gebrauch des Ausdrucks werden zudem die Gewalt und Folgen wie Tod, die mit dem Akt des Zurückdrängens von Migrant:innen verbunden sein können, verschwiegen. Die Jury kritisiert die in den Medien unreflektierte Nutzung dieses Wortes auch bei Kritiker:innen der Maßnahmen.

 

Weitere "Unworte"

Sprachpolizei: Mit dem Ausdruck „Sprachpolizei“ werden Personen diffamiert, die sich u.a. für einen angemessenen, gerechteren und nicht-diskriminierenden Sprachgebrauch einsetzen, der bisher benachteiligte und ausgegrenzte Gruppen sprachlich einschließt. Die Jury bewertet ihn als irreführend, weil er suggeriert, dass es eine exekutive Instanz gäbe, die über die Einhaltung von Sprachregeln ‚wacht‘ und bei ‚Nichteinhaltung‘ Bestrafungen vorsieht oder Bestrafungen durchsetzt.

 

Vergleiche mit dem Nationalsozialismus: Unter den Einreichungen fanden sich zudem eine Vielzahl an Ausdrücken, die im Zuge der Corona-Demonstrationen von Impfgegner:innen verwendet werden und völlig unzulässig eine Ähnlichkeit zwischen Maßnahmen gegen die Covid-19-Pandemie und der nationalsozialistischen Diktatur nahe legen. Zu nennen wären hier z.B.: Impfnazi, Ermächtigungsgesetz (für Infektionsschutzgesetz) oder der gelbe Stern mit dem Aufdruck ungeimpft. Die deplatzierte Verwendung solcher Ausdrücke führt zur Verharmlosung des Nationalsozialismus, zur Verhöhnung der Opfer der nationalsozialistischen Diktatur und in manchen Fällen zu einer Opfer-Täter-Umkehr.

 

In diesem Jahr greift die Jury wieder auf die 2013 eingeführte Kategorie des persönlichen Unworts des Gastjurors zurück, um Ausdrücke, die den jährlich wechselnden Gastjuror:innen am Herzen liegen, zu würdigen. Das persönliche Unwort des diesjährigen Gastes Harald Schumann (Journalist) ist Militärschlag. „Militärschlag“ ist eine zutiefst euphemistische Bezeichnung für einen aggressiven kriegerischen Akt. Schon seit Jahrzehnten bedienen sich Politiker:innen und unkritische Medien dieses Ausdrucks und verschleiern damit, worum es eigentlich geht: Bombenangriffe und Artillerie- oder Raketenbeschuss auf Ziele, bei denen die Aggressoren skrupellos den Tod unschuldiger und zumeist auch unbewaffneter Opfer in Kauf nehmen. Wenn eine Regierung ihre Bomber, Drohnen, Panzer und Raketen für Angriffe auf andere Völker oder auch Widerstandsgruppen im eigenen Land einsetzt, dann handelt es sich um Krieg, nicht bloß um ein paar Schläge.

 

Über 1300 Vorschläge

Für das Jahr 2021 erhielt die Jury insgesamt 1308 Einsendungen. Es wurden 454 verschiedene Ausdrücke vorgeschlagen, von denen knapp 45 den Unwort-Kriterien der Jury entsprachen.

Unter den häufigsten Einsendungen (mehr als 10x), die aber nicht zwingend den Kriterien der Jury entsprechen, waren: boostern (22x), Covidiot (20x), Eigenverantwortung (14x), Gendersternchen (16x), illegaler Kindergeburtstag (71x), Impfangebot (13x), Impfdurchbruch (13x), Impfdrängler (11x), Impfverweigerer (11x), Pandemie der Ungeimpften (16x), Querdenker (47x), systemrelevant (24x), Tyrannei der Ungeimpften (287x), Ungeimpft(e) (21x), Verweilverbotszone (30).

 

Quelle

Foto: mohamed hassan/Pixabay